Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Tour de France

Nach 15 Tagen in der Bergidylle der katalanischen Pyrenäen zog es uns weiter. Am Tag unserer Abreise hatte es in der Nacht schon mal kurz geregnet, aber am Morgen, konnten wir durch gute Windbelüftung alles trocken bekommen und verpacken. Im Laufe des Tages wurde es wieder schön und sogar richtig warm und wir freuten uns auf das Meer an der Costa Brava. In unserer Vorstellung hatten wir ein malerisches Dörfchen erwartet (Salvatore Dali war hier zuhause), aber die Küste ist ja schon lange berühmt und ähnlich wie die Cote d’Azure ist alles mit Ferienhäusern zugebaut. Der empfohlene Campingplatz war einer, den wir immer Hühnerstall nennen. In Reih und Glied angeordnete kleine Stellplätze, wenig Charme und Abzocke. Zum Strand hin ein hoher Zaun und alles eng und reglementiert. Weit und breit keine Familien und keine Kinder mehr zu entdecken. Die Urlaubszeit für die ist rum und es gibt nur noch Rentnerpaare aus nördlichen Gefilden in ihren Wohnmobilen. Da fühlten wir uns nicht sehr wohl und brachen am nächsten Tag zurück nach Frankreich auf. Es waren starke Regenfälle gemeldet und so war es auch. Kaum saßen wir im Auto und fuhren los, begann es zu regnen, stärker und stärker. Die kleinen Küstenstraßen nach Perpignan hoch verwandelten sich regelrecht in Flüße und die Wassermassen prasselten auf uns herab, wie aus Kübeln. In manchen Senken fuhren wir durch Pfützen, die unsere Räder fast untergehen ließen. Erst gegen Nachmittag verebbte diese Waschung und wir fuhren weiter an der Nordseite der Pyrenäen, bis wir bei Sonnenschein einen netten kleinen Campingplatz im Wald anfahren konnten. Wie schon in Spanien waren wir das einzige Zelt und die einzige Familie, aber der Betreiber ließ für Alfred und Olivia sogar die Hüpfburg nochmal aufleben. Wir blieben zwei Nächte und entdeckten bei einem Ausflug eine wunderschöne Einsiedelei, welche in einer Schlucht in den Berg gebaut war. Legenden zufolge, verbrachte hier die berühmte Freundin von Jesus, Maria Magdalena, einige Zeit. Sie war ja dem Mythos nach in der Camargue, in St Marie de la mer, in Europa an Land gegangen. Welch ein Zufall, dass wir diesen Ort ungeplant fanden, da wir in Sardinien ebenso zufällig ein Buch über ihr Leben gelesen hatten. Des Weiteren besuchten wir die alte Stadtfestung in Carcassonne, welche ich nur von dem gleichnamigen Spiel des Jahres her kannte. Ein gigantisches Überbleibsel aus alter Zeit, ähnlich dem Rotenburg ob der Tauber, bloß viel imposanter und größer. Dann tauchten wir in sehr ländliches Gebiet ein, durchquerten auf Ministraßen mit tausend Kurven die sogenannten schwarzen Berge und gönnten uns ein Bed &Breakfast in einem alten französischen Landhaus. Das tat gut und wir genossen es seit ewigen Zeiten mal wieder in einem Haus zu schlafen und ein tolles Frühstück serviert zu bekommen. Die Frau des Hauses war Norwegerin und wir hatten ein paar interessante Gespräche mit ihr. Alles war geschmackvoll eingerichtet. Viel Kunst an den Wänden. Als ich als Signatur auf einem der großen Leinwände SL entdeckte, genauso geschrieben, wie Stephanie ihre Bilder unterzeichnet (Stephanie Leitner), stellte sich heraus, dass ihre Tochter (Sarah Lavelle) freie Malerin ist und über der Scheune ihr Atelier hatte. Morgens fütterten wir mit den Kindern noch die Kaninchen, die Ziegen und die Schafe. Das war ein lustiges Erlebnis, da ein Ziegenbock wirklich ein frecher Geselle war. Nachdem der Hänger wieder angehängt und alle angeschnallt in der Kiste saßen, fuhren wir nach Montolieu, ein Dorf der Bücher, wie es hieß. Angeblich wohnt dort auch der deutsche Schriftsteller Patrick Süßkind. Hier hatten wir auch endlich mal telefonische Verbindung und erfuhren, dass wir noch nicht in die Heimat zurück fahren konnten. Unsere Kontakte nach Irland blieben nämlich bislang ohne Ergebnis und die Kinder vermissen mittlerweile eine feste Bleibe und ihre Spielsachen. So hatten wir unseren Untermieter gefragt, ob er früher aus der Wohnung gehen könnte. Nun stellte sich aber heraus, dass dies nicht ging, was im Umkehrschluss bedeutete noch sechs Wochen unterwegs bleiben zu müssen. Mit dieser neuen Information und ein paar Leckereien aus der kleinen Bäckerei, machten wir uns also auf in die Dordogne. Daran hatte ich schöne Jugenderinnerungen und es lag ja auf dem Weg, wohin auch immer der führen sollte. Das war ein spannender Moment. Während des dahin rollen fantasierten wir, wo uns das Leben denn nun hinführen wollte. Plötzlich hatten wir einen alten VW-Bus vor uns, dessen Nummernschild wieder die Initialen von SL beinhaltete und links daneben der Landesaufkleber von Irland. Hä? Wir achten oft auf solche kleinen Hinweise und wissen, dass das Leben sein eigenes Spiel spielt und unsere Pläne nur ein Teil davon sind. Dann unterhielten wir uns nochmal über Irland und stellten fest, dass es uns immer noch dorthin zog, egal ob wir nun einen stabilen Kontakt herstellen konnten oder nicht. In Rocamadour, einem mittelalterlichen Felsendorf mit Kirche und Burg, kehrten wir in der Nähe bei einer alten Dame, chez Gaby, auf dem Bauernhof ein. Sie hatte Parkinson und Stephanie war ganz berührt, da sie sie an einen schon verstorbenen Onkel, der gar kein richtiger Onkel war, erinnerte. Es war ein ärmlicher Ort und auf der Wiese, wo wir unser Zelt aufbauen durften, standen noch ein paar vorsintflutliche französische Caravans herum. In einem übernachteten eine seltsam und ebenso ärmlich aussehende Familie. Nein keine Kinder, das Kind war eine Frau von fast vierzig Jahren und die Eltern schon an die siebzig. Die erste Begegnung war eher befremdlich, doch am nächsten Morgen beschenkten sie uns voller Freude mit Säften, die bei ihnen übrig geblieben waren und wir mussten wieder mal feststellen, dass die Augen des Verstandes nicht so gut sehen, wie die des Herzens. Im nächsten Moment, die Sonne war gerade am aufgehen, hörte ich das vertraute Geräusch eines Flammen gebenden Heißluftballons. Gleichzeitig rief die etwas unförmige Frau herüber: „Les Enfant! La, des Montgolfier!“ und wir rannten zur aufgeschichteten Trockenmauer und sahen wie aus der engen Schlucht von Rocamadour ein wunderschöner Ballon zum Vorschein kam. Immer wenn ich so etwas sehe, bin ich zutiefst berührt und habe das untrügliche Gefühl, dass nichts unmöglich ist und wir stets Luftschlösser bauen dürfen. Warum also nicht Irland? Als wir dann beim Weiterreisen noch ein nicht allzu großes Graffiti an einer Wand entdeckten, welches uns entgegen schrie: Rien est impossible, Nichts ist unmöglich, da trafen wir justament die Entscheidung nach Irland zu fahren. Wir besprachen es mit den Kindern und hörten ihre Meinungen. Wir zeigten ihnen Bilder von Irland und begannen englisch mit ihnen zu reden, übersetzten simultan und spürten, dass sie zwar in die Rhön wollen, aber verstehend, dass dies noch nicht geht, wollten sie gerne mit nach Irland. So buchten wir eine Fähre von Cherbourg in der Bretagne für den 29. September. Seit dem schrauben wir uns Tag für Tag weiter nach Norden und haben viele kleine aber intensive Erlebnisse und Abenteuer mit den Kindern und Menschen als auch Tieren, die uns begegnen. Esel, Shetlandponys, Schnecken, Schwäne und Trilliarden von Stechmücken zum Beispiel. Es ist anstrengend jeden Tag auf und abzubauen, zu schauen, dass es allen gut geht und wir dennoch voran kommen, denn es ist weit bis dort oben und mit Kindern reißen wir nicht mal eben drei oder vierhundert Kilometer am Tag herunter. Manchmal sind es nicht mal hundert. Wir müssen kochen, waschen, Wäsche trocknen und uns versorgen, jeden Tag ein neues Heim für die Nacht finden… Das ist irrsinnig toll und wie in dem alten Lied „Lustig ist das Zigeunerleben…“, aber es fordert viel Präsenz und emotionale Stabilität, denn wir kommen an die Grenzen unserer Kapazitäten. Schließlich wird es Herbst. Nun, in der Vollmondnacht vor unserer Überfahrt, lagern wir an einem See unweit von Rennes. Morgen haben wir noch drei-vier Stunden Fahrtzeit, dann sind wir hoffentlich um 17 Uhr pünktlich am Hafen… 

Und was ich noch vergessen habe zu erwähnen: Vorgestern Nacht habe ich meinen Roman zu Ende gebracht! Juchhuuu! Ein Jahr und zwei Monate habe ich nun daran gearbeitet, doch die Geschichte wird weiter gehen. Zwar lege ich jetzt erst mal eine Pause ein, aber die Fortsetzung arbeitet schon in mir und die ersten Ideen dazu sind  geboren. Nun kommt allerdings der zweite Akt, nämlich ein Bewerbungsexposé zu erstellen für die Verlage, an die ich es senden möchte. Das scheint mir fast noch eine schwierigere Herausforderung zu sein, als der kreative Prozess des Romans selber. Wir werden sehen worauf das hinaus läuft. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, wie und ob es gelesen werden wird. 

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