Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Sommer

15. Juli 2023

Das Thermometer klettert und die Hitze lähmt, verlangsamt alles. Am Meer ist das herrlich. Fahre zum Sonnenaufgang mit dem Board raus in die felsige Küste. Suche mir eine schöne Stelle und schwimme von der See aus zu kleinen Inseln und springe aus zwei Metern in die klare, salzige Mutter Meer, „Mama Mare“. Fischschwärme sind zu sehen und das irisierende Spiel der Sonne bricht sich in der Wasseroberfläche. Alles schon erlebt und gesehen und doch jedesmal ein neues paradiesisches Abenteuer. Der Campingplatz beginnt sein internationales Sommerleben. Tschechische, spanische, marokkanische, italienische Nachbarn. Ihre Sprachen erfüllen die Luft wie Musik. Leckere Kochgerüche schwängern sie ebenso, würzig und prall. Man kommt zusammen und feiert das Leben. Auf dem Wasser tummeln sich Windsurfer aller Couleur, Wingfoils, Kitesurfer, Kajakfahrer, Taucher, Kormorane und Möwen, springende Fische und hie und da eine Feuerqualle. Alfred hat’s heute erwischt, gleich drei Stück. Autsch! 

Im freien Lernen erkunden wir gerade die Welt der Mechanik. Heute bauten wir aus Holzresten eine Kurbelwelle mit Nocken, die sich auf und ab bewegen. Faszinierend. Als nächstes wollen wir die Flügelbewegungen eines Vogels mechanisch nachbilden. Mal schauen, was sich noch so finden lässt. Hebelbewegungen, Zahnräder, Flaschenzug, was auch immer, macht voll Spaß. Und wir arbeiten nur mit Ästen und irgendwelchen Fundstücken aus Natur und Müll. Klanggeräte stehen auch noch auf der Ideenliste… Wir lernen also ein bisschen Physik, Mathe, Umgang mit Werkzeug und Maßstab, alles gerade so, wie es kommt und von Interesse ist. Zwischendurch wird getöpfert, gesungen, gemalt, getanzt, geschwommen und getaucht. Alfred verliert gerade seine Angst vorm springen und untertauchen. Im Handumdrehen konnte er gestern den „Köpper“ (Kopfsprung). Ich habe den erst im 5.Schuljahr im Sportunterricht gelernt, ebenso das Rückenschwimmen. Er sieht es immer bei mir, da ich wegen Nackenproblemen nicht gerne so lange Brust schwimme, er macht es einfach nach, von sich aus. Ich gebe dann ein paar Tips und er probiert weiter und kann es dann halt, einfach so. So macht lernen Spaß, nämlich dann, wenn man bereit ist und nicht wenn es einem jemand sagt, dass es jetzt dran ist. Na ja, is ja nix Neues, nur das Schulsystem hat es noch nicht kapiert. 

Ich lerne ebenso dabei und freue mich außerdem über neue Inputs im Gitarrenspiel. Jazzakkorde, Voicings und deren Umkehrungen…, ich übe einfach ein wenig vor mich hin und die Musik fließt. Jetzt gibt es zwei weitere Musiker neben uns. Einer aus Marokko spielt einen lustigen afrikanischen Bass, eine Gembre, ganz fremde Einflüsse, grandios. Alles in 6/8, ich krieg die Krise… Ich war noch nie in Afrika, vielleicht sollten wir mal da runter schippern…, ach wie herrlich, die Welt ist so faszinierend, was machen die Menschen bloss für einen Blödsinn mit ihrer Kriegstreiberei. Sollten wir nicht einfach schauen, dass wir alle zu essen haben, ein Dach überm Kopf (wenn nötig) und uns sonst einfach der tollen Geschenke des Lebens erfreuen und uns gegenseitig an unseren Schätzen teilhaben lassen? Wassermannzeitalter, wo bist du? In meinem Herzen wohnst du schon immer, bin gekommen, um dich mit zu entfalten, deine Werte zu leben und nun befinden wir uns endlich im krassen Wechsel. Die alten Systeme kollabieren Stück für Stück und es gibt keinen Weg mehr zurück. Manchmal sehne ich mich nach Sicherheiten und wünsche mir das Gefühl zurück, sorglos sein zu dürfen, aber ehrlich betrachtet gab es diese Sicherheit ja nie wirklich im Außen, nur im Innen und da bricht halt auch alles auf und will sich von Altlasten befreien. Wahrlich eine spannende Zeit in der wir leben und es gibt noch viel zu tun für jeden. Bleiben wir dran und schaffen an einer neuen Welt. Wir sind in der Verantwortung, ergreifen wir sie, jeden Tag da, wo wir sind, denn damit kreieren wir das Leben, welches sich uns zeigt. Dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn nicht, geht es schief, keine Frage. Die Geschehnisse in der Welt zeigen es uns. Unsere Körper zeigen es uns. Unser Verstand zeigt es uns und unsere Seelen leiden, da sie nicht zum Zug kommen. Alle reden immer vom erwachen und darum geht es wirklich, Augen auf in jedem Moment, wissen was man tut, so gut wir es vermögen. Sich nicht der Verzweiflung hingeben, sondern tiefer spüren, dort wo das Wahre und Gute entspringen möchte. Der Essenz des Lebens nachfühlen und ihr verhelfen sich zu entfalten auf dem Erdenplan, nichts mehr und nichts weniger, da wo du bist und bei dem was du tust, was immer es auch sein mag! 

22. Juni 2023

Ich hänge irgendwie in einer kleinen Krise fest. Sie ist nicht wirklich schlimm, aber weiß nicht so recht weiter. Zwar kommen dauernd neue Impulse. Ich lese neue inspirierende Bücher, die mich zu mir selbst führen wollen und ja, ich entdecke mich in neuen Möglichkeiten, aber das, worauf ich hoffe, bleibt nach wie vor aus. Worauf hoffe ich denn? Na, auf eine zündende Idee, eine Gelegenheit, was ich in nächster Zukunft auch hinsichtlich eines Projekts unternehmen könnte. Vor 10 Tagen oder so traf ich auf Edward, einen Lehmhausbauer. Er sucht Leute, die mitarbeiten können und ich dachte wir würden diesbezüglich in näheren Kontakt kommen, aber er ist wieder von Coccorrocci verschwunden, wie es scheint. Es war ein kleiner Lichtblick, der hell leuchtete und nun ist er wieder verglommen. 

Selina hat mir ihr letztes Buch geschenkt und ich begann es heute. Sie lädt ein Entscheidungen zu treffen. Sich zu entscheiden zu glauben, dass es eine übergeordnete Macht gibt, die einen leitet und schützt, stets. Sich zu entscheiden, sich und dem Leben absolut zu vertrauen. Das sind wichtige Grundlagen, die ich mir schon vor langer Zeit glaubte geschaffen zu haben. Nun kommen sie auf den Prüfstand und ich bin eingeladen sie zu erneuern. Eigentlich sind alle großen Wendungen und auch viele kleine Hinweise und Begebenheiten in meinem Leben von diesen Grundannahmen untermauert gewesen und unangemeldet in mein Dasein getreten. Nicht, weil ich etwas geplant hatte und diesen Plan umsetzte, sondern weil etwas Neues in mein Leben trat und ich gefordert war ihm zuzustimmen oder abzulehnen. Immer hatte mein Leben aber auch so etwas wie eine Rückversicherung, dass ich getragen war in unserem System. Ich habe Versicherungen, einen Arbeitsvertrag, ein Konto… usw , alles, wie es zu sein hat (dachte ich). Jetzt bewege ich mich im Grenzgebiet all das zu verlieren und nichts mehr zu haben. Ich weiß, dass ich mich nicht darüber definieren und bewerten möchte, was Besitz und Name so ist und ausmacht, aber ich muss zugeben, dass ich nicht frei davon bin. Ohne Besitz und Perspektive wird das Eis auf dem ich mich bewege, ganz schön dünn. Ich fühle mich zwar nicht nutzlos, da ich ein wichtiger Mensch für meine Familie und viele andere bin und gute Ausstrahlung habe und ich ihnen irgendwie gerne gut und dienlich bin. Darüber hinaus, habe ich keinerlei neuen Absichten und Ziele. Es zieht mich nicht viel und ich habe den Wunsch, dass sich etwas Neues zeigt. Alles, was ich bisher so tat und toll fand, ist gerade nichts, was ich als Grundlage ausreichend finde. Ich möchte wirklich gerne etwas Neuem begegnen. Etwas, das mich fasziniert, mich erweitert und auf einer wundervoll erlebbaren Ebene nährt und bereichert. 

Mein Verstand drängt mich dauernd zu der Annahme, dass ich einen Plan haben müsste, etwas tun müsste für meine unsere Zukunft, Geld verdienen müsste, arbeiten müsste. Ich jedoch, habe einfach nur Lust am Sein, darin zu baden mit einem wachen Bewusstsein, schöne Momente zu erleben mit den Menschen mit denen ich hier bin. Das tue ich nämlich dauernd. Ich könnte darüber schreiben, jede Menge, aber es ist mir zu anstrengend. Mir ist klar, dass es Heilungszeit ist, die hier gerade für mich zur Verfügung steht und ich möchte sie auch als solche nutzen. Heilung von meinen körperlichen Symptomen findet zumindest nicht spürbar statt. Meine Blockierung im Nacken, der Ischiasnerv, meine Allergien…, alles noch da, egal was ich so tue dafür, es aufzulösen, sowohl auf psychischer, emotionaler und körperlicher Ebene. Ich bin nun so tief aus dem alten System und der Lebensstruktur heraus gefallen, dass ich mir nicht vorstellen will, wieder dahin zurück zu müssen. Nach vorne schauend, sehe ich jedoch nichts konkretes, was dessen Platz einnehmen könnte. Alle Projekte und Beispiele, die ich entdecken durfte, haben alle ihre Macken, Hindernisse und Baustellen, dass ich nicht einsteigen und mich beteiligen möchte. Ist mir alles zu vage, zu anstrengend und chaotisch, ohne gute Orientierung. Ich bin irgendwie nicht locker, naiv und verrückt genug, mich da hinein zu stürzen. Ich will mich nicht an etwas binden, mit dem ich nicht wirklich Verbundenheit fühle. Es gibt gerade nichts, wofür ich durchs Feuer gehen würde (außer für meine Lieben!). Ich warte und bin aufmerksam. Es wird kommen, ich spüre es deutlich und ich bin voller Vorfreude. Ich habe mich vorbereitet, bin bereit, obwohl ich keine Vorstellung habe, was da kommen könnte. Meine Phantasie kann sich alles mögliche ausdenken und vorstellen, aber ich glaube nicht daran, dass solche Wunder geschehen, obwohl ich schon viele erlebt habe und definitiv weiß, dass sie geschehen. Wenn es aber um die Finanzen geht, da scheint es eine Blockade zu geben, ein Glaubenssatz, irgendwo unauffindbar abgespeichert, der besagt, dass ich mir das hart verdienen muss. Wenn man „nichts“ tut, wie ich (was ja eigentlich nicht stimmt), ist man es nicht wert etwas zu bekommen. So, oder so ähnlich ist das in mir verankert und ein Teil von mir stimmt dem auch wirklich zu, frei nach dem Motto Von Nichts Kommt Nichts. Das sitzt und wirkt von innen heraus. Das muss ich erstmal akzeptieren. Verstehe zwar, wie es dahin gekommen ist und das es aus einem bestimmten Blickwinkel auch seine Berechtigung hat, aber mein Empfinden vom Leben ist ein ganz anderer Boden, auf dem Leistung, Konkurrenz, Pflicht und solche Sachen nicht mehr wachsen wollen. Stattdessen stehen da starke Liebstöckelpflanzen. Liebe und Verbundenheit mit dem was ist. Ich erschaffe durch freudevolle Erlebnisse ein Feld, welches frei ist von all diesem alten Müll. 

Ich möchte auf jeden Fall mit Edward sprechen, seine Arbeit und ihn kennenlernen. Ansonsten wünsche ich mir Geduld und Wachsamkeit, um den richtigen Moment zu erkennen. Ich wünsche mir Zeichen und Signale vom Leben, wohin mein Kompass mich navigieren soll. I’m so lost. But it’s nice to be lost in Coccorrocci.

12 August 2023

Ich komme mir ein bisschen vor, wie in dem Vorspann von Walt Disney Filmen. Unter mir das nächtliche Meer mit beleuchteten Segelmasten, die in der Bucht vor Anker liegen. Über mir die Milchstraße und die vielen Sternbilder unserer Tierkreiszeichen. Eine Sternschnuppe fällt in langem großen Bogen vom Himmel und der Campingplatz von oben, wirkt mit seinem italienischen Stimmengewirr und seiner spärlichen Beleuchtung wie ein Ort friedlicher Harmonie. Die vergangenen Wochen zeigten soviel positiver Veränderung, dass es ein wenig anmutet, wie im Märchenfilm. Mein Wunsch nach neuen Wendungen erfüllte sich mannigfaltig und ich fühle mich zwar müde, aber glücklich. Meine Mithilfe beim Bau eines kleinen Ecohaus aus Baumstämmen und Lehmwänden wurde Wirklichkeit und faszinierte mich unendlich. Die Perspektive auf weitere Baustellen in aller Welt eröffnet einen grandiosen Ausblick und ich bin beseelt. Stephanies kleine mobile Keramikwerkstatt floriert und wir fanden nach langer Suche einen Künstler, der ihr anbot seinen Brennofen mit zu benutzen. So entstand in wenigen Wochen eine völlig neue Kollektion, die sich gut verkaufen lässt. Eine kleine Werbung neben dem Verkaufstisch für mein Massageangebot wirkt Wunder und ich habe jede Menge Aufträge und mache die Erfahrung, wie es ist, als Masseur zu arbeiten. Samstag abends bin ich Musiker in der Bar und da lernte ich gestern einen deutsch-sardischen Saxophonisten kennen, der in der Musikszene Sardiniens gefragt und bekannt ist. Er blieb den ganzen Abend und hörte mir einsam an seinem Tisch zu, bis alle Gäste gegangen waren. Dann sprach er mich an und wir tauschten uns aus. Er lebt schon seit 1984 hier, stammt ursprünglich aus Köln und wird nächste Woche mit Musikerfreunden und Saxophon auftauchen und mich begleiten. Genial. Tja, und nachts schreibe ich täglich an meinem Roman, der nun deutlich zu seinem Ende hin unterwegs ist. Die Kinder zu begleiten in ihren Projekten, ihrem Spiel und ihrer Neugier auf Wissen und praktischen Fähigkeiten macht unendlich viel Spaß. Seit einer Woche tauchte bei Alfred der Durst nach Mathematik und schreiben und lesen lernen auf. Fast jeden Morgen machen wir Kopfrechnen, lösen Rätsel, üben Buchstaben und Wörter. Nicht weil ich oder ein schulischer Lehrplan es will, sondern er. Ich ersinne spannende Rechenaufgaben und baue immer wieder die Möglichkeiten ein, über sich selbst hinaus zu wachsen. Das ist ein wundervolles Spiel für uns beide. Wenn er Durst hat, soll er trinken und ich sorge für ausreichend Wasser. So einfach ist das. Und Olivia macht mit. Sie schreibt und rechnet auf ihre Weise fleißig mit und was soll ich sagen, da prägt sich eine Grundlage, die ihr später bestimmt vieles beim Lernen erleichtern wird. Zusammen mit anderen Kindern wird jeder Tag ein Abenteuer und die Gegebenheiten sind für kindliches Erleben wie geschaffen, ein Paradies. 

Alles in allem fühlt sich das gerade perfekt an. Aber die Tage hier in Coccorrocci sind gezählt. Anfang September werden wir weiter ziehen. Die Fähren nach Barcelona sind teuer und alle auf Wochen ausgebucht. So setzen wir über nach Toulon/Frankreich und fahren bis an den Fuß der Pyrenäen, wo sich ein neues Kapitel auftun wird, doch darüber später mehr.

3 comments

  1. Lieber Tommy, hab dank für die intimen Einblicke in dein (Seelen-)Leben. Ich kann dein Leiden und auch deinen Lebenshunger sehr gut verstehen.

    Ich freue mich sehr, dass du nun Massagen gibst und auch Stefanie sich wieder einmal neu erfunden hat. Ich fahre übermorgen zu einem Retreat mit Monika. Innere Arbeit in Verbindung mit Massagen – eine perfekte Kombination.

    Vielleicht schreibe ich dir mal ausführlicher eine PN. Herzlichen Gruß, Daniela

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