Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Auszeiten

Nun ist es Juni geworden, aber das Wetter ist nach wie vor wie verhext. Auch andere Umstände des Zusammenlebens auf dem Platz wirken irgendwie verheddert. Spannungen entstehen und wir werden mit emotionalen Ausbrüchen konfrontiert, die zu erwarten sind, wenn Dichte und Enge sich nicht nur wetterbedingt ergeben. Da ist es wichtig sein inneres Zentrum zu bewahren. Wenn im Außen sinngemäß ein Tornado die Sachen herum wirbelt, dann herrscht im Auge des Sturms nach wie vor Stille und Ruhe. Eine klare Herausforderung, die wir als Familie meistern, indem wir uns immer wieder einzeln oder gemeinsam aus der verwirbelten Energie heraus nehmen, etwas unternehmen und uns kleine Auszeiten gönnen. So genehmigte ich mir zum Beispiel eine Nacht alleine in den „roten Felsen“, direkt am Meer. Eine sternenklare Nacht war zu erwarten und ich erkundete am Nachmittag zusammen mit Alfred das Gelände und wir fanden die perfekte Einbuchtung in den Wetter gegerbten Felsen, worin sich sowohl schon eine kleine Feuerstelle befand, als auch eine ebene Fläche, auf der es sich gut für ein Schläfchen hinlegen ließ. Wir sammelten einiges an Feuerholz und dann gingen wir zurück und ich packte mein Bündel für das Abenteuer. Zwar nahm ich zum Schreiben auch mein Laptop mit, doch es kam nicht dazu, es zu benutzen. Die Magie des Feuers, das Tosen der Wellen, wie sie gegen die Felsen brandeten und der wirklich bezaubernde Sternenhimmel, waren so beeindruckend, dass ich bis in die Früh einfach wach war und diese Challenge mit der Begegnung der Elemente auskostete. Als ich alles Holz verbrannt hatte und nur noch ein Gluthäufchen vor sich hin klimmte, legte ich mich auf den Rücken mit Blick auf die Milchstraße. Das sind einfach unvergessliche Momente und wie bestellt, schoß eine Sternschnuppe quer über das Firmament und erfüllt schloß ich de Augen und schlummerte zum gischtigen Klatschen der Wellen ein. Der erste Vogelsang ließ mich erwachen und zum Aufgang der Sonne kletterte ich den Felsen hinab und nahm ein wahrlich erfrischendes Morgenbad. Dann rollte ich mein Lager ein, hinterließ alles so, als ob ich gar nicht da gewesen wäre und wanderte zurück zum Platz. Dort schliefen noch alle und ich bereitete schon mal das Frühstück vor.

Ein andermal fuhren wir als Familie gemeinsam in die Berge und suchten den „Perda Liana“, einen stark abgetragenen Sattelberg, der optisch sofort an die alte Marlboro-Werbung im Monument Valley in Arizona erinnert. Ich hatte ihn schon ein paar mal in der Ferne als Silhouette wahrgenommen, wenn man von Norden kommt und in die Ogliastra hinein fährt. Für die 50 KM brauchten wir fast zwei Stunden und die verschnörkelten Bergsträßchen ließen schlecht beschildert, das Auffinden des rechten Zugangs zum Berg wieder abenteuerlich werden. Schon gewöhnt an die sardischen Verhältnisse, gelangten wir nach ein paar Irrungen aber zum Ausgangspunkt der Wanderung und erlebten einen voll schönen Tag. Beim Start versteckte sich die Sonne und wir zogen unsere Fleecejacken an, doch schon nach den ersten hundert Metern lugte sie dann hervor und sofort glühten wir. Ich hatte dann den Part alle Jacken auf den Proviantrucksack zu schnallen, der mir den Rücken gut durchwärmte. Die Luft war geschwängert mit Kräuterdüften und die Flora breitete ein einziges üppiges Blütenmeer vor uns aus. Wir hatten extra einen Beutel zum Sammeln dabei und pflückten einiges für Tee. Thymian, Spitzwegerich, Zistrose und jede Menge Einzelgewächse für Stephanies Herbarium, zum Zeichnen der Pflanzen in ihren Bildern. Je näher wir an den Koloss heran kamen, umso beeindruckender wurde das Szenario. Große Felsblöcke lagen wie geworfene Würfel am Berghang herum und sie zogen Alfred magnetisch zum Klettern an. Er probierte sich im Boldern und Freeclimben und machte einige mutige Aktionen, bei denen wir nicht schlecht staunten. Dieser mächtige Fels scheint viel Zeit in feuchten Wolken zu verbringen, denn die Steinflächen sind mit orange leuchtenden Flechten, grünen Moosen und jeder Menge Pflanzen bedeckt. Rankpflanzen nisten in den Spalten und klettern steil empor. An der Ostseite haben sich einige Steineichen hinein geschmiegt und geben ein bizarres Bild ab. Überall lagen Kuhfladen und Ziegenknöddel herum und wir entdeckten Mistkäfer, die sich daraus Kugeln geformt hatten und sie geschickt zu zweit oder allein durch die Gegend rollten. Ein tolles Schauspiel, von dem ich bisher nur gehört hatte, es aber noch nie aus nächster Nähe beobachten konnte. Im alten Ägypten war der Scarabeus (Mistkäfer) ein Symbol für das „Auferstehen und das Leben“ und wurde als Glücksbringer in Form von Amuletten u.ä. gehandhabt. Sie legen ihre Eier in die Dungkugeln, die dem Nachwuchs dann als Nahrung dienen und irgendwann aus ihnen hervor kommen. 

Etwas unterhalb gab es eine Quelle. Wir stiegen über rutschiges Geröll die Gamspfade hinab und labten uns an diesem Superwasser. Es hat so einen nährenden Wert, dass unser Durst maßlos war. Ich trank mindestens einen Liter und hatte das Gefühl, mein Körper wollte sich richtig satt trinken. Auch die Kinder rühmten dieses überaus köstliche Wasser, denn es ist wahrlich nicht vergleichbar mit dem, was wir sonst als Wasser vorgesetzt bekommen. Nach einem Picknick mit Melone stiegen wir mit den ersten Regentropfen ins Auto, perfekt abgepasst. Und dann ging sie los, die nächste Schlechtwetterperiode in der wir heute wieder voll abgesoffen sind…

2 comments

  1. Lieber Tommy, wie immer sind deine Beiträge herzweitend und inspirierend. Sie berühren mich sehr. Bitte schreib weiter & weiter und lass dich von den mitunter ausbleibenden Kommentaren nicht entmutigen. Ich denke oft an dich/euch und wünsche euch für eure Reise weiterhin viel Freude und Mut.

  2. Hallo Daniela, danke für deinen Beitrag. Ja, es ist still geworden was die Kommentare anbelangt und ich bin nicht mehr so motiviert mitzuteilen, was bei uns so geschieht. Aber natürlich schreibe ich weiter, letztenendes auch für uns selbst, sozusagen als Reisetagebuch, welches sowieso geführt wird, halt unveröffentlicht. Unser Leben fühlt sich sehr lebendig an und wir lernen eine andere Mentalität zu entwickeln. Bei uns in Deutschland sind wir sehr problemorientiert, hier steht die (Er-)Lebensfreude ganz klar im Focus und führt zu einer gänzlich sich transformierenden Anschauung unseres Daseins. Das allein ist schon alle Strapazen wert und führt zur Erkenntnis, dass ein wahrhaft erfülltes Leben nicht unbedingt leicht ist, aber reicher, als im Altbewährten verhaftet zu bleiben. Ganz liebe Grüße und eine Zeit voller Wunder wünsche ich dir und allen anderen Leserinnen .

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