Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

From the blog

Die Vögel zwitschern schon

Lange nichts vermeldet. Auch keine Rückfragen mehr. Wahrscheinlich haben sich schon alle aus dem Blog verabschiedet, doch die Vorbereitungen auf das diesjährige Reisen laufen auf Hochtouren. Wir suchen Untermieter für die Wohnung, das Auto wird fit gemacht, Keramiken werden geschaffen, um auf sardischen Nachtmärkten unser Taschengeld aufzubessern, ein Pavillon als Massagezelt wurde angeschafft, so kann ich neben Musik in der Bar, die Menschen auch mit LomiLomi-Massagen beglücken und etwas beisteuern zum Wohlbefinden in der Urlaubszeit. Unser Zelt habe ich regendicht gemacht und der Keller steht nur noch halb so voll. Lästige Bürokratie wird abgearbeitet und die meiste Zeit wird in ein gesundes Familienleben und die Erhaltung von körperlicher Vitalität investiert. Jeden Tag Yoga und die „Fünf Tibeter“, Selbststudium der Marmapunkte aus dem Ayurveda und den Akupunkturpunkten der Chinesischen Medizin, lassen die innere Sonne (die ich im Außen unendlich vermisse) etwas heller scheinen. Viel Spielen, tanzen, Schlitten fahren, jetzt sind die Rollschuhe aktiv, laufen, klettern…, während die anderen Kinder leider in der Schule und anderen Einrichtungen unterwegs sind und die Erwachsenen ihrer meist ungeliebten Arbeit nachgehen. Ich höre sehr viel Jammern aus allen Ecken. Sozial ist man mit diesem Lebensstil hierzulande ziemlich abgeschnitten. Das wird in Sardinien wieder anders, da gibt es viele Gleichgesinnte, Gott sei Dank. 

Meine Elternzeit habe ich um ein weiteres Jahr verlängern können und ich sehe dies als das schönste Geschenk in diesen Tagen. Ein Nachbar fragte mich am Schlittenberg, wann ich denn wieder anfange zu arbeiten und ich meinte: „Vorerst gar nicht, bin weiter in Erziehungszeit.“ „Und das geht?“ war seine Antwort. Ja, erstaunlich, aber es geht. Ich erzählte ihm, dass ich beim Keller ausmisten auf eine Kiste mit alten Kinderzeichnungen meiner mittlerweile erwachsenen Söhnen gestoßen war. Darin fand ich ein Faltblatt zum Vatertag im Jahr 2000. Die Erzieherinnen aus dem Kindergarten hatten meinem Kleinen Fragen zu seinem Papa gestellt und dann aufgeschrieben. Eine davon lautete: „Was macht denn dein Papa am liebsten?“ Als Antwort hatte er gegeben: „An der Arbeit sein.“  Als ich das nun 23 Jahre später las, war ich schockiert. Aber aus seinen Augen verbrachte ich wohl die meiste Zeit an der Arbeit, also musste ich das wohl sehr lieben. Klar liebte ich meinen Beruf, sonst hätte ich ihn nicht ausgeübt, aber im Klartext hieß es, ich war kaum zuhause und das stimmte. Diese Kinderzeit ist so überaus wichtig für die Bildung einer stabilen Persönlichkeit und ich möchte sie nicht noch einmal in dem Maße verpassen, wie ich es damals getan habe. Obwohl, und das muss ich betonen, ich auch damals bemüht war viel für meine Kinder da zu sein. Dennoch war ich mit 36 Jahren mehr mit mir selbst beschäftigt und ohne zu hinterfragen im gängigen Kultursystem verhaftet, als ich das mit 58 bin. Den Zenit von Berufskarriere o.ä. habe ich längst überschritten und ich ziehe es in solchen instabilen Zeiten wie den jetzigen vor, meinen Kindern ein präsentes Vorbild zu sein, in der Hoffnung, dass dies das Beste ist, was ich ihnen je schenken kann (nebst meiner unumstößlichen Liebe). Sie entwickeln sich wunderbar und sind momentan meine größten Lehrer hinsichtlich dem, was das Leben lebenswert macht. Die Kinder der Menschheit haben von Natur aus alle wichtigen Gaben, die ein Leben in Frieden und Fülle auf diesem Planeten ermöglichen. Was ich sehe, ist das die Erwachsenenwelt alles dafür tut, ihnen diese Gaben abzuerziehen und sie vergessen zu lassen. Das stimmt mich traurig, erweckt Wut und Zorn in mir und macht mich mutig einen anderen Weg zu wählen und dazu stehe ich. 

Der folgende Vers aus dem Matthäus-Evangelium hat mich schon immer berührt: „Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen“ (18,3). Ich bin wenig religiös gewesen, aber die großen Fragen des Lebens führten mich stets zu den Religionen der Welt und so auch zu diesem Zitat. Ich bin so herrlich kindlich geworden und ich liebe diesen Zustand! Danke dafür, Danke.

7 comments

  1. Hoi Tommy, schön wieder von Dir zu lesen und vieles kann ich gut nachvollziehen. Man fragt sich mit zunehmendem Alter immer öfters, wie man die verbleibende Zeit nutzt. Wie Du schreibst ist die Verlängerung der Elternzeit ein Geschenk. Ich denke, es ist wichtig, sich dabei aber bewusst zu sein, dass dieses Geschenk eine Errungenschaft des „von Dir nicht so geliebten Systems“ ist. Ich wünsche Dir und Deiner Familie viele tolle und schöne Erlebnisse in 2023. HG Markus

    1. Hey Markus, hab dir zwar privat schon geantwortet, stelle es hier aber nochmal rein für die LeserInnen:
      Natürlich bin ich mir dessen bewusst und auch vieler positiver Veränderungen und Wendungen. Das hindert mich aber nicht daran das System in seiner Gesamtheit und Details kritisch zu hinterfragen. Ich bin absolut kein Schwarz/Weiß-Blicker und kein Gegner unserer Gesellschaft, ich bin lediglich auf dem Weg zu einem einfacher und gesünder gestalteten Leben.
      Ganz lieben Dank für deine Rückmeldung und die guten Wünsche. Euch auch eine gute Zeit, Tommy

  2. Lieber Tommy, es ist schön, wieder etwas von dir zu lesen. Ich freue mich, dass du dich vom kalten Klima nicht unterkriegen lässt. Aber ich glaube auch, dass es um ein Vielfaches leichter ist, „von außen“ auf ein System zu schauen, als wenn man voll im Hamsterrad drin steckt, damit identifiziert ist und ja auch von der Gesellschaft gespiegelt bekommt, dass es so ok ist. Den Schritt zur Seite muss man erst einmal wagen. Aber dann nicht in neuen Grenzen zu denken, die (vermeintlich) anderen so lassen zu können und mir kein negatives Urteil darüber zu formen; darin sehe ich meine große Herausforderung in dieser Zeit. Herzlich, Daniela

  3. Salut Tommy!
    Das sind spannende Nachrichten! Hatte regelmäßig geschaut, ob du was geschrieben hast.
    Erst einmal euch alles gute und gute Vorbereitung für das nächste Abenteuer!
    Liebe Grüße
    Sylvie

  4. Salut Tommy!
    Das sind spannende Nachrichten! Hatte regelmäßig geschaut, ob du was geschrieben hast.
    Erst einmal euch alles gute und gute Vorbereitung für das nächste Abenteuer! Wann geht es los?
    Liebe Grüße
    Sylvie

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