Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

From the blog

Ein neuer Anstrich

Es wirkt belebend, dass ein paar meiner Leserinnen immer noch dabei sind und ich danke euch von ganzem Herzen dafür. Das Schreiben ist ein geheimnisvoller Weg Leben auf unsichtbaren Pfaden zu teilen. Etwas Verbindendes liegt darin und die Spuren meines Weges bleiben sichtbar, wenn auch dann vom Winde verweht. 

Wieder andere, stelle ich fest, haben nie einen Blick in diesen Blog gewagt und es ist schwer ihnen in Kürze zu erzählen, „wie es war“. Diese Frage ist eine gefährliche „Schatzräuber-Frage“ geworden und ich bin nicht gewillt mir meinen erworbenen Erfahrungsschatz rauben zu lassen, denn wie will man einem Blinden beschreiben, wie Farben aussehen? Wie einem Huhn vermitteln, was der Adler fühlt und sieht? Ich möchte keineswegs überheblich damit klingen und es geht nicht darum mich und mein Erleben als etwas Besonderes darzustellen, denn das ist es keineswegs. Im Gegenteil, es ist sehr simpel. 

Unsere Wohnung, halb leer geräumt, gestalten wir gerade etwas um, geben den Wänden ein neues Weiß, widmen die Nutzung der Räume etwas um und beleben sie mit einer mitgebrachten Leichtigkeit. Das Wetter, mittlerweile kälter und herbstlicher, läßt meine Körperzellen sich auf den Winterschlaf vorbereiten. Es ist eine unglaubliche Umstellung, wenn man sieben Monate draußen gelebt hat, sich plötzlich die meiste Zeit in häuslichen Räumen aufzuhalten. Jeden Tag bekomme ich irgendwann einen Rappel und verzweifle schier an dieser Tatsache. Meine Muskeln werden steif, meine Atmung ist belegt, meine Haut dürstet nach Luft und Meerwasser und die Füße fühlen sich in Dauerhaft. Keine wirkliche Erde unter den nackten Sohlen, eingesperrt in Socken und Schuhen, hören sie auf dem glatten unnatürlichen Untergrund auf, gesunde Impulse in mein Nervenzentrum einzuspeisen. Klingt für Menschen, die ihre Füße fast nie nackt sehen bestimmt fremd, aber barfuß laufen ist ein natürlicher Jungbrunnen. So kann man mich auch bei Regen barfuß und in kurzer Hose runter zur Straße laufen sehen, um die Mülltonne noch schnell rauszubringen. Den Nachbarn hinter der Fensterscheibe erscheine ich hiermit etwas durchgeknallt, aber mein gesamtes System dankt mir diesen kleinen Ausflug mit einem spürbarem Kick von Vitalität. Auch gehe ich direkt nach dem Aufstehen mit nacktem Oberkörper auf den Balkon und „dusche“ an der frischen Luft. Dr. Kneipp hat es auch schon gewusst und schrieb vor mehr als hundert Jahren, dass das Luftbad den Wasseranwendungen übergeordnet ist.

Zurück im Kreis meiner Freunde fällt es mir schwer „normal und angepasst“ zu sein. Traurig aber wahr, ich dringe zu vielen von ihnen nicht durch, oder eher umgekehrt? Ihre Gespräche über Zahlen, Autos, Arbeit und dies und das, wirken unlebendig und entfremdet auf mich. Die durchaus vorhandene Herzlichkeit ist auf einer stark schwächelnden Ebene vorhanden, bildet aber ein verkümmertes Pflänzchen ab, welches wachsen will, doch es fehlt an Licht und nährenden Verhaltensweisen. Ihr Leben scheint permanent im Außen und mit Objektidentifizierung statt zu finden und mir wird schlagartig bewusst, dass ich das keine Sekunde vermisst habe. Ich weiß, diese Tatsache macht mir das Überleben auf heimatlichem Terrain schwer. Meine kleine Familie ist mir diesbezüglich ein wundervolles Lebenselixier. In ihr fühle ich mich wie in einem warmen Gewächshaus und das zarte Pflänzchen meines Menschseins gedeiht in Licht und Liebe. Hoffentlich macht es auch stark genug für die kalte Welt da draußen.

Was nun werden wird bleibt unklar. Klar ist das Bestreben im Moment zu bleiben und ihn nicht durch zu vieles Denken und Sorgen abhanden kommen zu lassen. Mir kommt immer wieder John Lennon’s Bemerkung in den Sinn, als er sagte: 

„Leben ist das, was stattfindet, während wir gerade an etwas anderes denken.“ 

Wenn ich mir diese Worte zu Gemüte führe, dann muss ich zugeben, dass ich von meiner Lebenszeit sehr viel verpasst habe, da ich dauernd mit anderem beschäftigt war, als mit dem Leben an sich. Dankbar und von liebevoller Freude gekitzelt bin ich allerdings, wenn ich mich heute wahrnehme. Da keimt so etwas wie Weisheit und blindes Vertrauen in das Leben selbst. Ich glaube verstanden zu haben, was es heißt, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Bislang nutzte ich vornehmlich die vorgegebenen Schmiedemethoden anderer, so hat man es mir in der Schule und sonstwo beigebracht und mir erzählt was richtig und was falsch ist. In der heutigen Zeit ist es nicht schwer vom Glauben abzufallen, da es allzu offensichtlich ist, wie „schläät“ (stammt aus dem Rhöner Dialekt, klingt wie „schlecht“, ist aber vieldeutiger zu interpretieren) unsere Gesellschaft gegründet ist. Ich finde zunehmend meinen eigenen Schwung den Schmiedehammer zu nutzen und werde kompromissloser. Manche meiner Weggefährten haben längst diese Welt verlassen und ich weiß nicht wie viel Lebenszeit mir noch beschert ist. Es wäre schade darum mich weiter an der Nase rumführen zu lassen. Gut und Geld spielt zwar noch eine große Rolle, doch auch hier tun sich viele neue Wege auf und wahrer Wert ist nicht im Geldbeutel zu finden, da sind wir uns bestimmt einig. Buddha sprach vom Weg der Mitte und es obliegt jedem selbst seine Mitte zu wählen und manchmal liegt sie vielleicht wo anders, als augenscheinlich angenommen…

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