Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Und die Reise geht weiter…

Wieder in Deutschland, der Heimat, da wo das Heim ist. Hm, was heißt das eigentlich? Ich hab, keine wirkliche Ahnung was das heißt, denn „Home is, where the heart is“ und mein Herz ist da, wo ich bin und ich bin, egal wo.  

Die letzten Wochen waren intensiv, so stark im Erleben, das keine Zeit blieb um zu schreiben. Endlich küsst mich aber wieder die Muse und ich sitze Ende Oktober nachts auf der Terrasse und finde mich beim Schreiben. Die Temperatur ist mild und es tut gut an der frischen Luft zu sein. Zwar höre ich nicht den Wellenschlag, aber das Rascheln der Blätter im Wind umarmt mich ähnlich und Mutter Erde ist auch hier sehr nahe. Auf Sardinien war alles noch ein letztes Mal, wandern in den Bergen der Ogliastra, treffen mit den Männern in der Höhle, paddeln in den Sonnenaufgang, singen in der Bar, mit den Familien am Kinderstrand, übernachten bei Freunden, schwimmen im Meer und es fiel schwer zu glauben, dass das alles ein Ende haben soll und ich mit jedem Kilometer nach Norden, dem allem nicht mehr nah sein würde. Und dann kam die Phase des Packens, dem auflösen unserer kleinen Heimstatt unter freiem Himmel. Es floss und war friedlich, einen Abschluss findend und fühlte sich dennoch überhaupt nicht endgültig an. Hie und da schwermütig, wehmütig, traurig machend, doch ohne Gram und tief in Verbindung mit dem Platz und den Menschen, die alle in meinem Herzen mit mir sind und mich weiter auf der Reise durchs Leben begleiten. So ist es und nicht anders. 

Wir checkten auf der Fähre ein und das Riesending aus Stahl brachte uns sicher ans Festland Italiens. Bei Sonnenaufgang legten wir in Livorno an und rollten dann durch einen nebligen Toskanamorgen bis nach Südtirol und kehrten wieder bei denselben Freunden ein, die wir auch gen Süden besuchten. Sie waren übrigens im Sommer ebenfalls in Coccorrocci und verbrachten ihren Urlaub mit uns. Wie so viele reisten sie aber nach 10 Tagen wieder ab, wir hingegen blieben und gingen stets in eine neue Phase, in neue Begegnungen und in neues Erleben. Das war sehr spannend für uns, da es echt besonders war und noch nie hatte ich sowas erfahren können. Auch habe ich noch nie für so lange Zeit am Meer gewohnt, noch nie über Monate hinweg jeden Freitag einen Gig gehabt und so viele Leute getroffen, die aktiv neue Wege zu leben suchten und in den Wirrnissen der Jetztzeit mutig voran schreiten. Keine Sicherheiten mehr, keinen Plan, sondern voll im Prozess Altes los zu lassen und die Fülle des Moments zu empfangen, in tiefem Vertrauen, dass das Leben in ihnen seinen Weg finden wird, zum Wohle aller. Unglaublich, wie bewegend das war. Und dann, hier zu Hause, im Schlamassel der Ankettung an den sogenannten Alltag, scheint das kleine Flämmchen, was davon übrig geblieben ist, ausgepustet zu werden. Oft werde ich dieser Tage gefragt, was denn mein Resümee sei, was es denn gebracht hat und was ich nun weiter plane. Beim Versuch beschreibende Worte zu finden, verklingen sie in den Gesprächen mit den Menschen meist nichts-sagend und verpuffen, wie Dampf, oder Staub im Wind. Dann fühle ich mich meines inneren Schatzes beraubt und komme in die Versuchung zu glauben, ich sei nur ein kleiner unbedeutender Träumer oder Flüchtling, der es nicht schafft der hiesigen Realität stand zu halten. Eine Leere tut sich dann auf, die all meinen Erfahrungsschatz verschlingen will und ihn bedeutungslos werden lässt. Das ist die große Falle, die überall lauert um das Wunderbare, das Magische und Zauberhafte zu zerschlagen. Das ist der frostige Griff, der uns am Schlafittchen hat und uns weis machen will, das Leben und wir sind nur etwas wert, wenn wir erfolgreich sind, etwas Tolles zu leisten im Stande sind und damit einen vollen Geldbeutel nach Hause schleifen. 

Eines Nachts hatte ich nach dem Freitagskonzert eine zwei Bierflaschen dauernde Begegnung mit einem österreichischen Ehepaar in meinem Alter. Sie waren mit einem Riesenwohnmobil plus Anhänger unterwegs. Ein Motorrad und ein Motorboot im Schlepptau. Sie rühmten sich, wie toll es sei so unabhängig unterwegs zu sein. Solaranlage und und und, völlig autark, wir haben alles dabei. Es stellte sich heraus, dass er dafür in Norwegen hart arbeitet, meist getrennt von seiner Frau und sie alles daran setzen, dann tolle Urlaube zu verbringen in denen sie alle ihre Traumziele abgrasen. Ich kam mir sehr arm vor und ein Teil meines Egos ärgerte sich, dass ich so ein mittelloser Hanswurst und brotloser Musikus bin. Aber letztendlich stellte sich heraus, dass sie mich um meinen momentanen Lebensstil beneideten, so frei zu sein, denn der Job in Norwegen rief in zwei Wochen schon wieder und dann stünde all die autarke Wohnmobilpracht ein Jahr ungenutzt in einer teuer gemieteten Halle. Welch ein Gegensatz, dachte ich, aber verbindend ist die Sehnsucht nach der unabhängigen Freiheit, ist es nicht so? 

Von Südtirol schlängelten wir uns durch die beeindruckende Bergwelt weiter nach Norden. Über den Brenner und den Fernpaß, an der Zugspitze vorbei, tauchten wir unter die sichtbar werdende Wolkendecke Deutschlands. Eine graue Masse schob sich über uns und Regen begann. Ein bedrückendes und beklemmendes Gefühl machte sich dabei breit. Gerade noch im Südtiroler Postkartenland mit strahlend blauem Himmel gewesen und jetzt so ein Dämpfer. Warum sind wir um Himmels Willen hierher zurück gefahren? Tja, warum eigentlich? Da gibt es einige Gründe und allem voran geht echt die Sehnsucht unserer Kinder nach dem Winter mit seinem Schnee und ihrem Wunsch, die Freunde zu Hause wieder zu sehen. Des Weiteren ist da die Tatsache, das wir kein geeignetes Winterquartier in Sardinien gefunden haben und wir zu Hause noch eine Wohnung und jede Menge Zeugs haben, welches ja irgendwie noch zu uns gehört. Genauso auch unsere Familien und Freunde, eine Arbeitsstelle auf Eis und die Neugier, wie gehen wir mit all dem denn jetzt um? Um das heraus zu finden mussten wir ganz klar wieder zurück kommen. Und wenn wir gefragt werden, was wir denn jetzt vorhaben und was unser Plan ist, so kann ich verkünden: Kein Plan, was nicht heißt, das wir keine Ahnung haben. Meine Ahnung ist, dass sich gerade etwas bahnbrechendes in unserem Leben verändert hat, nämlich ein innerer Zustand, den ich nicht wirklich zu beschreiben vermag, aber er ist stark und licht und er möchte bleiben und sich nicht wieder anpassen an die kontrollierte Konformität des hiesigen Duktus. Ich glaube, wir sind mutiger geworden. Es fühlt sich an, wie vorm Absprung mit dem Fallschirm oder am Bungee-Seil von der Brücke. Das Ungewisse macht keine Angst mehr und noch neun Jahre bis zur Rente arbeiten gehen…, tut mir leid, das kann ich nicht mehr. Wenn ich in Gedanken da hinein gehe, dann fühlt sich das an wie freiwillig ins Gefängnis gehen oder ein Selbstmord auf Raten. 

Das Leben gleicht einer Reise und Arten zu reisen gibt es viele, genau genommen so viele, wie es Reisende gibt. Wir reisen weiter und das heißt nicht die Welt und ihre Länder abgrasen, sondern das Gras in der Welt beim wachsen bestaunen und alles andere auch. Das geht hier genau wie in der Ferne und unterwegs. Ich wünsche mir wache und strahlende Mitmenschen, die genau so auf das Wunder des Lebens blicken und sich nicht der vernichtenden Angstmache von Politik und Medien hingeben und ihr Leben dadurch mehr erleiden als erleben. Jeden Morgen geht die Sonne auf und ich danke ihr für ihr Licht, welches mich das Wunder der Schöpfung in all ihren Farben erblicken und genießen lässt. Das Leben ist einfach!

Carpe diem : )

4 comments

  1. Lieber Tommy, willkommen zuhause. Toll, dass Ihr den Mut hattet aufzubrechen. Die Erlebnisse, Begegnungen, Erfahrungen nimmt Euch niemand und sie sind Inspiration für die Zukunft, wie auch immer diese sich dann gestaltet. Herzliche Grüsse Markus

  2. Lieber Tommy, ich fühle und lese immer noch mit dem Herzen mit. Ich bin gespannt auf die weiteren Kapitel. Herzlich, Daniela

  3. Ach jaaaa, lieber Tommy, spät, erst nach Euter Heimkehr, beginne ich bin rückwärts zu lesen und es ist wie ein gutes Gefühl dabei: den Schriftsteller kenne ich ja, ha! Und alles, was mich selbst in der Zeit Eurer Reise so intensiv in Bewegung hielt, darf nun ab und zu ruhen und meine Seele dem Roman lauschen, der da entstanden ist und einfach so genießen ist…. Später mehr. Jetzt möchte ich, denn Ihr seid alle vier bei mir heute zum Mittagessen angesagt, ❤️ lich willkommen dann…. Brigitta ❣️

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