Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Der Abschied flüstert

Fast königlich thronend residiere ich auf einem kleinen Tableau, mit Blick über die bewaldete Bucht auf das offene Mittelmeer, nach Osten hin. Die aufsteigende Sonne bringt die Wasseroberfläche zum blinkenden Glitzern und die strömenden Lüfte hinterlassen sich bewegende Zeichnungen auf derselbigen. Immer in Bewegung, ist die See und der Wind nie dasselbe, jeder Tag kommt mit einem anderen Gesicht daher und es ist eine simple und einfache Weisheit darin zu entdecken. Jeden Morgen setze ich meinen nackten Fuß auf die blanke Erde, befühle sie, ergreife sie mit meinen stark gewordenen und sich gesund anfühlenden Füßen. Gehe in andächtigem Schritt zum Meer hinunter, strecke und recke meinen Leib, beuge und biege ihn, schwinge und schlängele ihn, intuitiv, kein starres Übungsmuster, bewege ihn aus der Lust heraus ihn zu bewegen, wie ein Tanz zum Rhythmus der Wellen und ihrem Rauschen. Ich falle in einen menschlichen  Seinszustand, der sich selbst aus der Verbindung mit allem nährt. So wie die Möwe vom Felsen in den Wind hüpft und von der Luft getragen und empor gehoben wird. Sie schwebt über das Wasser und der springende Fisch hüpft ihr quasi in den Schnabel. Sie tut nichts außer voll und ganz in ihrem Flug aufmerksam zu sein. Sie fliegt nicht in die Möwenfabrik um den ganzen Tag einer Arbeit nachzugehen, mit der sie nicht viel am Hut hat, dafür dann Geld bekommt, wofür sie sich im Hafen dann Fisch kaufen kann. Sie fliegt einfach und der Fisch kommt von selber. Ich weiß, wir Menschen glauben nicht, dass das Leben so funktionieren kann. Seit einem halben Jahr lerne ich aber genau so zu leben. Es ist ein abenteuerliches Spiel, sich darauf einzulassen und wie eine ungeplante Wanderung in unbekanntes, wildes Terrain, ereilen einen mitunter erschöpfende und kraftraubende Zustände. Zu fühlen, was wirklich Hunger bedeutet und wie er sich anfühlt, weiß unsere Bauchvoll- und Übergewichtsgesellschaft gar nicht mehr. Ein Freund wanderte über Tage durch die Berge und ernährte sich von Beeren, Feigen und sonstigem wilden Obst. Trank Wasser von der Quelle und weil die Schuhe Blasen verursachten, lief er barfuß weiter, was weitaus bekömmlicher war. 

Es ist wundervoll und heilsam in ein Außen zu treten, welches sich wirtlich anfühlt. Freundliche Menschen, spielende Kinder, angenehme Temperaturen und eine sich gesund anfühlende Natur. Zurück zu fallen in sein eigentliches Sein, seine wahren Vorlieben und Potentiale ins wirken zu bringen, ohne Überlebenskampf, ohne angestrengtes Rackern und sich aufopfern, nirgendwo hin fahren zu müssen, keine Termine koordinieren müssen, keinen Besitz verwalten, alles nicht notwendig. Fließen und achtsam in die Welt sich leben, mit allem was dazu gehört, ein dienen, ein arbeiten, ein spielen, ein geben, ein tanzen, ein empfangen, ein genießen…das Leben ist einfach! Wir haben uns bekanntermaßen aus dem Paradies gekickt und ich stelle fest, es gibt einen Weg zurück. Das Gartentor nach Eden ist nicht verschlossen und wenn wir uns auf den Weg dorthin begeben, entdecken wir einen ganzen Strom von Pilgerern und das fühlt sich einfach nur erhebend an. 

Ich weiß, dass das Außen, dieser Platz, das Meer, der warme Süden, für mich einen großen Anteil daran hat, in dieses Lebensgefühl zu finden. Und dennoch ist es ein innerer Zustand, der im Grunde genommen überall gelebt sein kann, sowohl im eisigen Alaska als auch in der sandigen Wüste. Die Vorstellung zurück ins herbstlich-winterliche Deutschland zu gehen, in Steinhäusern mit Türen zu leben, sich dick anziehen zu müssen und einem fremdbestimmten Rhythmus von Arbeit und Konsum folgen zu sollen, bringt meinen unteren Rücken sogleich ins wanken. Daran merke ich sofort die unwahrscheinliche Kraft, welche unsere Gedanken und Vorstellungen auf die Gesundheit unseres Körpers und unsere Psyche hat. Seit zehn Tagen gehen wir mit der Frage schwanger, was nun wird mit uns. Bleiben oder zurück? Die Entscheidung fiel auf das Zurück, aber mit der eindeutigen Intension „zuhause“ klar Schiff zu machen und die Segel neu zu setzen. Für mich ist zum x-ten Male in meinem Leben klar geworden: Ich will am Meer sein. Nicht nur zwei oder vier Wochen, nein, nein, ich will jeden Tag bei ihm, in ihm sein dürfen, wann immer ich es brauche, denn es ist das salzige Wasser, welches mich heilt. Ich fühle mich mittlerweile fast jugendlich kraftvoll beim schwimmen. An Land sieht das anders aus. Es inspiriert mich, bringt mir Farbe ins Leben. Von einigen höre ich immer wieder, dass sie den Wald vermissen, das Moos und die gute Erde. Die liebe ich zwar auch, aber vermissen tue ich bis jetzt an Deutschland nichts, vor allem nicht in diesen Zeiten. Alles was ich aus der Heimat mitbekomme, bestärkt mich nur darin ihr fern bleiben zu wollen und dennoch wagen wir den Schritt und nehmen den sonnenbetankten inneren Zustand mit, in der Hoffnung er wird uns nicht verloren gehen und geraubt werden, durch eine mittlerweile fremd gewordene Lebensweise. 

Draußen zieht ein Segelboot vorbei, langsam, gaaanz langsam, schräg gegen den Wind, es scheint fast auf der Stelle zu stehen. Über den ganzen Platz sind freudige Kinderstimmen zu vernehmen, in freiheitlichem Spiel vertieft, das Geräusch der Wellen perlt zu mir herauf und Klänge einer Berimbao fügen sich hinein. Und die Worte segeln durch meinen Kopf, ziehen kapriolenhaft ihre Spuren ins Notebook und mein Roman wächst…

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