Das Wetter spielt irgendwie verrückt. Zuerst noch geglaubt, es würde jetzt kühler und so etwas wie Herbst träfe ein, da kommen wieder heiße schwüle Tage. Dann Wind, der das Meer quirlig und unruhig macht. Schwimmen wird zu Wellenbaden oder wie jetzt: Besser nicht rein gehen, wer weiß ob man heil wieder heraus kommt. Eine neue Sorte Mücken taucht auf, klein und unscheinbar, doch ihr Juckreiz und die Schwellung kommt einem Wespenstich gleich. Mit dem Vollmond kamen Sturmwarnungen. Alle Bootsbesitzer holten ihre Schaluppen rein und wenn das die Sarden tun, dann ist da was dran. Ich saß abends beim Schreiben an der Strandbar und dann wechselte die Temperatur schlagartig. Der Wind nahm zu und trockene, warme Backofenluft strömte heran und nahm mir fast den Atem. Das Meer fauchte wie eine aufgeregte Katze und die schattigen Wolken vor dem Vollmond wirkten Unheil verkündend. Hinter dem Bergkamm zuckten Wetterleuchten und fernes Grollen kündete von starken Unwettern. Es bleibt moderat, eine erfrischende Nachtdusche und ich lege mich ins Zelt und schlafe ein. Irgendwann höre ich Reißverschlüße, Stephanie schließt die ‚Fenster‘ und ich frage: „Was machst du?“ Es hatte wohl schon eine ganze Weile heftige Böen, die den Staub durch die Moskitonetze herein bliesen, dass man fast husten musste. Zerstiebender Regen war auf der Zeltplane zu vernehmen und ich ging raus um die Plane über unserer Küche abzusichern. Ich war nackt und der Regen fühlte sich gut an, auch wenn es nur ein paar Tropfen waren. Der Wind kühlte die nasse Haut. Den Rest der Nacht wachten wir zwischen garstigen Windstößen, die über uns hinweg pusteten, als wollten sie uns aufs Festland katapultieren. Die Bäume sind mit ihrem harten Wuchs und dichtem Geäst ein Superschutz und die Form unseres Zeltes ebenso. Draußen flog so einiges durch die Gegend was nicht niet- und nagelfest war, aber unser ‚Haus‘ wackelte höchstens mal kurz. Wie oft in solchen Ausnahmesituationen komme ich in ein ruhiges Urvertrauen. Ich fühle ins Wetter, spüre ob wirklich Gefahr besteht, rede mit dem Wind, den Bäumen, erschaffe gedanklich-geistig ein Kraftfeld, welches höher schwingt als irdische Elemente und imaginiere eine Schutzhülle um meine Familie. Tiefe Ruhe durchdringt mich und ich verspüre keine Angst, keine Befürchtungen, keine Zweifel. Komme was wolle, ich bin da und schwinge in einer tiefen mit dem Leben verbundenen Liebe. Ich mag das, denn dann nehme ich eins zu eins wirklich wahr wo ich stehe und wie echt ich in meinem Sein bin. Wie die Ruhe zurück kehrt, findet auch der Schlaf zu uns und ich träume, ich bin riesig, alleine meine Beine maßen schon zwei Meter in der Länge und ich suchte den Namen der Hauptstadt von Lettland. Im Kopf spukte dauernd Reykjavik, aber es war Riga und irgendwas wollten die Letten mir mitteilen…
In der Frühe sammelten wir unsre Sachen wieder ein und entstaubten die Küchenutensilien fürs Frühstück. Keine Schäden. Genau wie damals in Kanada, als ich einen Hurricane miterlebte. Nur die zivilisierte Welt aus Bauwerken und Leitungen war für fünf Tage lahm gelegt. Aber im leichten Zelt im Wald, war nichts Nennenswertes geschehen. In der Natur selbst sind Naturgewalten gar nicht so gewaltig und schon gar nicht gewalttätig, wenn man sie achtet und achtsam ist. Die gehören einfach dazu und haben ihre Berechtigung. Nur wir Menschen, denaturiert, haben Probleme damit und fürchten um unser Leben. Ich bin froh, dass es mir da anders ergeht und ich mich nicht mehr fürchten muss.
Wind wirbelt so einiges auf und wir überschauen unsere Ist-Situation und die bevorstehende Zeit. Bald werden Entscheidungen fallen, wie wir den Winter verbringen und ich bin sehr gespannt darauf, wie die Würfel fallen.
3 comments
Hallo Tommy, darauf sind wir auch gespannt! Herzliche Grüsse aus Graubünden wo die Berge mittlerweile weiss sind. Markus
hey tommy, es fasziniert mich immer wieder, wie du deine/eure erlebnisse beschreibst. auch in diesem beitrag hast du wieder worte gewählt, die der beschreibung einer meditation gleichkommen. automatisch hat man das gefühl, das erlebte mitzuerleben, deine gedanken zu spüren und es als leicht zu empfinden, sich selbst zu reflektieren. danke für diesen anstoß, seine eigenen gedanken fliegen zu lassen.
in diesem sinne: bleib so
Prego, Signore Tilo!