Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Kind sein

Wir Erwachsenen machen uns unendlich viele Gedanken darüber, was gut für unsere Kinder ist. Wie sollen sie aufwachsen, welchen Kindergarten, welche Schule sollen sie besuchen, welche Spiele und Spielsachen sollen sie spielen, welche Kleidung tragen…, wie sollen sie sich verhalten, welche Kontakte sind gut für sie… und so weiter und so fort. Das ist auch gut und richtig so, schließlich sollen sie in ihre bestmögliche Entfaltung kommen, damit sie das Leben gut meistern können und das verwirklichen, wofür sie sich berufen fühlen. Leider behindern aber genau diese Sorgen und Gedanken das wahre Entfalten des Kindes, als das sie förderlich sind. Sie werden eher in gelenkte Bahnen gebracht, die dem eigentlichen Wesen des Kindes mehr eine Bremse sind, anstatt ein Begleiter und Förderer. So habe ich es im Laufe meines Lebens, meiner eigenen Kindheit und der Zeit als Vater beobachten können. Ebenso in vielen anderen Familien und in der Schule, in der ich mehr als 10 Jahre lebte und arbeitete. 

Wenn ich mich selbst frage, warum ich hier bin und wofür ich lebe, dann ist das eine Frage, die mich seit meiner späten Kindheit, ständig begleitet. Und wenn ich die für mich gefundene Antwort in einer sprachlichen Essenz zusammen fassen soll, dann lautet sie: Verwirkliche und manifestiere die Liebe! 

In meiner Einfachheit und Naivität denke ich, dass sich diese Frage jeder Mensch stellt, früher oder später. Warum bin ich hier? Und ich glaube, die Antworten sind sehr unterschiedlich. Und ich glaube auch, dass viele Menschen keine Antwort darauf gefunden haben und genauso glaube ich, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht einmal die Frage stellen. Aber wenn wir sie uns gestellt haben, dann können wir auch davon ausgehen, dass die Kinder mit einer Lebensaufgabe, einem Wunsch, oder einem bzw. mehreren Potentialen / Talenten in diese Welt kamen. Sie haben etwas mit gebracht. Sie werden nicht erst, sondern sie waren schon etwas, was sie nun in ihrem Leben finden, weiter entwickeln und vervollkommnen können. Und es sind nicht die typischen Rollenhülsen vom Astronauten, Tierärztin oder Feuerwehrmann/frau. Es sind tiefer in den Genen sitzende Fähigkeiten und Seinsqualitäten, die oft in den frühen Kindheitsjahren schon erkennbar werden. Meine Aufgabe als Erwachsener ist dabei immer gewesen, als liebender Begleiter scharf zu beobachten und auf die richtige Art und Weise zu fordern und zu fördern. Doch was ist richtig, was zu viel, wann zu wenig? Und hier kommen wir bei der Qualität des „wachsam und achtsam sein“ an. Und das kann ich nur, wenn ich es übe und im lebenslangen Prozess erweitere. Nobody is perfect heißt es so schön und dennoch glaube ich, dass wir im Grunde der Schöpfung alle absolut perfect sind, wir glauben es nur nicht. Und warum? Weil wir vieles, was von uns gefordert wurde, nicht konnten. Weil wir gesehen haben, dass andere es besser konnten und wir uns in Vergleich setzen haben lassen. 

Meine Frage ist nun, wie entwickeln sich Kinder, wenn sie diese Fallstricke nicht in dem Maße erfahren müssen, wie frühere Generationen das über sich ergehen lassen mussten? Und nun bin ich hier in einer für unsere Zivilisation sehr besonderen Situation: Wir leben im Zelt, am Fuße von sehr Natur belassenen Bergen, unter Bäumen, zusammen mit vielen kleinen Tieren (Ameisen, Mücken, Käfern, Schlangen…) in Hörweite des Wellenschlag des Meeres und in einem sozialen Umfeld von einigen Familien, die es genau so machen. Alleine zu beobachten, welche motorischen Fähigkeiten Kinder entwickeln, ist grandios. Hier ein Beispiel:

Jede Woche machen wir einen Kindertag am Strand. Unser Lager ist unter einer uralten Drillingspinie, ein Monument von einem Baum. Till, der Initiator dieses Kindertages, kam auf die Idee oben in diesem Baum Netze aus Hanfseilen zu flechten, die wie eine Art Nest zwischen den Ästen eingebaut sind. Als ich zum ersten Mal mit an diesen Ort kam und das sah, gingen bei mir alle Alarmglocken an. In ungefähr  4m Höhe, befindet sich das erste Nest. 2m weiter ein nächstes. Hinauf führt eine Strickleiter, sehr wackelig. Und dann sah ich, wie diese Kinder da hinauf kletterten und oben immer höher gingen. Kinder im Alter von 5 Jahren wuselten nackt, scheinbar angstfrei in diesem Baumwesen herum. Kein Klettergurt, keine Sicherung, kein Helm… Mir kribbelte dabei die Magengrube, obwohl ich wahrlich nicht zimperlich bin. Meine eigenen Kinder wollten auch gerne hinauf, tasteten sich 3-4 Sprossen nach oben und wollten wieder runter. Zu gefährlich, ihr eigener Körper warnte sie und meine eigene Angst wirkte wahrscheinlich under cover mit. Beim nächsten Mal, ohne irgendein üben, heran führen oder sonstiges, kletterte Alfred bis zum ersten Nest. Und zwei Strickleitererklimmungen später lag er im unteren Nest und fühlte sich königlich. 

In uns Erwachsenen kommt das große Bedenken: Was wenn? Was erlauben wir? Welche Regeln stellen wir auf etc., aber im achtsamen mit den Kindern sein, entstehen diese gesunden Verhaltensweisen wie von selbst und es bedarf keiner Liste von Gesetzen, sondern die wachsame Union des Zusammensein erfüllt alles Nötige im natürlichen Fluss und wir müssen sie nur miteinander erfühlen, erkennen, bewusst machen und dann in Worte fassen. Letzteres ist nur ein scheinbar notwendiger Schritt, denn im inneren Sein haben wir es ja schon längst erfasst und verankert. Sie begegnen ihren Ängsten und wie in einem magischen Geschehen verwandeln sie die Energie der Angst in ein Erfolgserlebnis. Einfach so. Und mir wird bewusst in wie vielen Ängsten ich doch verstrickt bin, obwohl ich glaubte, überdurchschnittlich frei davon zu sein. Pustekuchen. Klar, es ist gefährlich, aber ich habe Kids kennengelernt, die immer in sicheren Bahnen groß geworden sind und die sind dann als Jugendliche nachts auf Züge geklettert und sind darauf „gesurft“, oder sie lieferten sich mit ihren Autos nachts Rennen auf den Straßen unserer Stadt. Ich glaube, diese Kinder hier würden so etwas nicht tun brauchen, weil sie gesund unterscheiden können, was wirklich gefährlich ist, weil sie es früh gelernt haben. 

Nun ja, so meine Gedanken und Beobachtungen dazu. Ein tolles, lebendiges Erlebensfeld, auf jeden Fall mit vielen wundersamen Entdeckungen darüber, wer unsere Kinder und wir selbst denn eigentlich sind und wie wir uns auf abenteuerliche und liebende Weise miteinander auf die Forschungsreise durchs Leben begeben können. Lasst uns Lebensformen und -räume erschaffen, die dies schuld- und angstfrei, ohne Konkurrenz und Leistungsforderungen, möglich machen. Und zwar nicht in kommerziellen Hochseilgärten, erlebnispädagogischen Ferienevents, Lasertag-Hallen oder eingezäunten Funkparks, sondern im ganz normalen Alltag einer neuen Kultur, wo wir in einer harmonischen Art und Weise Zeit füreinander haben, ohne Verinselungen und getrennt voneinander sein müssen, sondern in einem natürlichen Beisammensein und -leben.  Diese Welt zu erschaffen ist unsere Aufgabe und wo sie schon aus alten Tagen so bestand, da gilt es sie zu bewahren.  

2 comments

  1. Lieber Tommy, liebe Stefanie, liebe Alfred, liebe Olivia,
    es ist Sternschnuppenzeit und damit denke ich an die Rhön und an Euch und bin einmal wieder auf Deinem Blog. Während ich lese und ganz langsam jedes Wort genüsslich in mich einsickern lasse, die Fliegen und Mücken spüre, die Hitze, die Angst der Eltern, die sich über die Kinder legt, den Mut-Moment des ” ins Wasserspringens”….merke ich eine Ruhe und stille Freude in mir, teilhaben zu dürfen. Dankeschön.
    Ich hätte gerne gewusst, wie Du den Staudensellerie entsaftest, wie das Pfannenbrot und Deine Brote zu backen gehen…Gleich von Anfang an, als Du das erstemal geschrieben hattest, dass Du Brot backst, bin ich sehr neugierig darauf geworden. Du wolltest mal Ideen für ein Buch, das Du schreiben könntest: ich wäre für Tommys Reisekochbuch. Ich bin gespannt auf Stefanies Bilder und auf weitere Reiseabenteuer. Liebe Grüße

    1. Liebe Katrin, so schön von dir zu hören : )
      Also, für den Staudensellerie habe ich mir einen kleinen Zentrifugenentsafter gekauft. Fürs Camping tut der seine Dienste. Ich weiß, dass manche meinen, dass durch diese Art entsaften viele Vitalstoffe kaputt gemacht werden, aber für ein 1000,-€ Gerät habe ich hier keine Möglichkeit. Das Pfannenbrot ist sehr simpel. Ich nehme 2/3 Roggenmehl und 1/3 Dinkelmehl, Salz und Gewürze nach Geschmack. Manchmal mache ich es kräutrig mit Rosmarin und Origano, andermal eher orientalisch mit Kreuzkümmel und Kurkuma. Dann knete ich den Teig mit Wasser zu einer Konsistenz, dass ich gut handtellergroße Kugeln formen kann, welche ich dann auf dem Brett mit viel Mehl zu dünnen Fladen wellere. In der eisernen Pfanne auf dem Gasöfchen backe ich sie dann beidseitig so, dass sie kurz vorm schwarz werden rausgenommen werden. Anfangs benetzte ich die Pfanne etwas mit Öl, aber die Fladen gelingen und schmecken besser ohne. Danke für den Input mit dem Reisekochbuch, aber ich glaube da habe ich nicht viel neues zu bieten, da gibt es schon gute Werke auf dem Markt. Momentan bin ich im kochen gar nicht kreativ, liegt wohl an der Hitze. Ich bastele an einem Roman und will nach vielen Ideen sammeln und recherchieren genau heute das erste mal ins schreiben dafür kommen. Hoffentlich packt mich das Schreibfieber, denn wenn ich erst mal ein paar Seiten gefüllt habe, dann ist der Staudamm hoffentlich gebrochen und es fließt, genau wie mit dem Blog hier.
      Dir wünsche ich eine gute Zeit zum leben und freue mich auf ein Wiedersehen oder -hören.

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