Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Erwachen

Ich erwache mit den ersten Sonnenstrahlen. Um wieviel Uhr das ist, ist mir schon längst egal. Zeit auf dem Messgerät Uhr ist nur noch wichtig für Öffnungszeiten und Verabredungen und selbst da ist der Spielraum groß. Der Versuch, leise einen Zeltreißverschluss auf oder zu zu machen, ist genauso vergeblich, wie der Versuch eine Klospülung leise zu betätigen. Unsere Ohren haben sich daran gewöhnt und das Reißen des Verschlusses weckt niemanden mehr sofort auf. Am Anfang war das anders. Da hatte ich jedesmal ein schlechtes Gewissen und blieb lieber still liegen. Heute gehe ich hinaus, schlinge mir schlaftrunken ein Handtuch um die Hüften und tappse unter dem Gesang der Vögel hinunter zum Meer. Der Untergrund ist überall steinig, was meine Füße zu Langsamkeit zwingt, somit sind meine Schritte achtsam und sorgfältig. Manche Steine bohren sich schmerzvoll in die weichen Teile meines Fußes ( und ich dachte, ich wäre schon abgehärtet, Pustekuchen). Am Strand, wo ihr bestimmt in eurer Vorstellung lauter Sand vor euch seht, erwarten mich Millionen von Steinen, rund gewaschen zwar, aber dennoch hart und unerbittlich zu meinen Sohlen. Jedes aufsetzen des Fußes ist ein tastendes sich einfühlen und ein mahnendes Erwachen, da es empfindlich weh tut, wenn ich nicht bewusst gehe. Krasses Erleben so kurz nach dem aufstehen. Am Wellenschlag des Wassers angekommen dehne und strecke ich mich in die morgendliche Stimmung hinein, atme, begrüße innerlich und äußerlich das salzige Meer und die flammende Sonne. Seit Urzeiten sind diese Elemente hier und sie sind auch in mir. Es tut gut, diese einfachen Tatsachen so tief zu spüren, dass sie mir heilig erscheinen. Und so fühlt sich nun diese profane Begebenheit, ins Meer schwimmen zu gehen, eher wie eine Taufe, ein rituell bedeutsamer Akt an. Ich lasse das Handtuch fallen und tauche langsam und sanft in das kalte Nass.

So oft habe ich das während meinen Aufenthalten an der See zelebriert und es ist immer wieder neu und wohltuend. Mir kommt der alte Zen-Spruch in den Sinn: „Du steigst nie zweimal in den selben Fluss.“ Ja, so ist es. Jede Welle ist anders. Ich atme ein, halte an und lasse mich hinab sinken, was im Salzwasser gar nicht so einfach ist, da es trägt. Also tauche ich und genieße völlig umspült zu sein. Schlagartig bin ich zentriert. Ich öffne die Augen, sehe die Unterwassersteine verschwommen, nehme die Lichtwellen wabernd wahr und treibe wieder nach oben. Oh, wie herrlich, gleich nochmal…

Nach diesem Bad geht es mir blendend, richtig beschwingt würde ich sagen. Mittlerweile bin ich schon 24 Tage an diesem Platz und ich gehe jeden Morgen hinein. Zuerst allein, dann folgte Stephanie und wir wechselten uns ab. Wenn ich zurück kam, ging sie. Mittlerweile gehen wir in der Früh als Familie. Nur Olivia geht nicht ganz ins Wasser. Ihr ist das Meer noch zu mächtig hier. Ist ja auch so. Die Wellen schleudern Steine und wer wird schon gerne mit Steinen beworfen.

Schon nach ein paar Tagen verändert sich meine Haut deutlich. Sie fühlt sich gesund und glatt an. Meine Haltung wird besser, ich bin aufrechter und fühle mich im Brustraum befreiter. Manchmal bade ich nur, aber meist schwimme ich eine ganze Weile, Brust und Rücken. Graulen habe ich nie gemocht, nur auf dem Rücken. Dieses tägliche Bad ist echt ein Gesundbrunnen für mich geworden. Ich brauche nirgendwo hin zu fahren, brauche kein Ticket, sondern ich krieche aus dem Zelt und gehe zu Fuß in die Badewanne von Pacha Mama. Und meine Allergieprobleme verschwinden schon am ersten Tag in Coccorrocci. Wie kann das sein? Egal wie, es ist und ich bin!

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