Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Coccorrocci

Die Gegend kommt uns bekannt vor. Vergangenen Sommer waren wir eine halbe Stunde nördlich von hier auf einem kleinen Strandzeltplatz unter Pinien- und Eukalyptusbäumen. Die felsigen Berge mit ihrem schrundigen, grünen Bewuchs, reichen hier immer wieder bis an den Rand des Meeres. Zwischendrin gibt es kleine Täler mit tollen Wohngebieten mitten in der Wildnis. Wenn man die Ohren aufsperrt hört man das Gebimmel der frei umher ziehenden Kuh-,  Ziegen- und Schafherden. Nach dem Örtchen Cardedu fahren wir an der steinigen Küste, entlang einer immer kleiner werdenden Strasse, bis ans Ende derselbigen. Sie mündet in einem genial gelegenen Campingplatz namens Coccorrocci (sprich: Kokorotschi), auf dem viele Menschen ein Nest gefunden haben, die dem Projekt nahe stehen oder es kennen lernen wollen. Das eigentliche Land und Zuhause der schon angesiedelten Leute, wird hierdurch geschützt und als Privatraum geachtet.

Der Platz ist groß, natürlich wirkend, mit tollen, kinder(kletter)freundlichen, Schatten spendenden Bäumen. Es gibt viele freie Plätze, wie gesagt Vorsaison. Während Stephanie die Anmeldung erledigt, sitze ich im Schatten unter den Sonnenschirmen vor der Rezeption und lausche einem Telefonat auf Schweizer Dialekt. Bei genauerem Hinhören bemerke ich, dass es nur eine Sprachnachricht ist. Es ist eine Bitte an in die Schweiz gereiste Freunde, deutschsprachige Kinderbücher mit zu bringen, da die Vorräte ausgegangen sind. Dabei fallen zwei Namen, die mich aufhorchen lassen, denn dieses Paar kennen wir auch. Zwar noch nicht persönlich, aber über SocialMedia. Sie waren letztes Jahr nach unserer Abreise bei derselben Adresse gelandet wie wir. Es wurde ihnen von uns erzählt. Auffällige Gemeinsamkeit: Zwei Elternpaare mit zwei blonden Kindern auf der Suche nach einem Platz zum aussteigen. So nahmen sie Kontakt zu uns auf. Unterschied: Sie gaben alles auf und verließen im November `21 die Schweiz. Wir warteten den Winter ab und sprangen ins Trapez mit Auffangnetz.

„Welche Kinderbücher sollen es denn sein? Wir hätten da eine kleine fahrende Bibliothek dabei.“ So schließen wir den ersten Kontakt und stellen fest, dass es wirklich das vermutete Paar ist. Zufall? Wie sich herausstellen wird regnet es hier bei vielen Menschen dauernd solche vermeintlichen Zufälle. In den „Prophezeihungen von Celestine“, ein spiritueller Bestseller vor ca. 25 Jahren, wurde dieses Phänomen als Synchronizität beschrieben: Du denkst an einen Wunsch oder ein Thema und es manifestiert sich etwas wichtiges, was dich der Sache näher bringt, wie durch Zufall. Irgendwie fühlt sich das hier gerade an, als ob ich ein Buch gelesen hätte, mit bestimmten Rollen, Orten und Begebenheiten und auf einmal bin ich mitten in der Geschichte drin, oder wie ein Bild in welches ich hinein gehen kann und es ist plötzlich eine reale Welt, in der ich mich ganz normal bewege. Abgefahren, das ist wie in Findhorn damals, denke ich.

Wir bekommen eine ausführliche Beschreibung des ganzen Geländes mit vielen Insidertips und kundschaften dann aus, wo wir uns niederlassen wollen. Wir finden den perfekten Platz. Schön schattig, urwüchsige Bäume, Nachbarskinder (Volltreffer, wie sich herausstellen wird) und gut gelegen, um alle wichtigen Orte schnell erreichen zu können. In Nullkommanix (nicht mal eine Stunde) kennen wir jede Menge Leute, bekommen viele Infos und es fühlt sich an, wie in einen alten Freundeskreis heim zu kehren. Die normalen, rollenverhafteten sozialen Barrieren gibt es nur in abgeschwächter Form. Zumindest sind sie auf den ersten Blick nicht sichtbar. Diese Spezies ist herzlich, zuvorkommend, auf irgendeine Weise strahlend, man blickt in viele leuchtende Augen und es herrscht eine angstfreie Atmosphäre. Ich glaube, das trifft den Nerv. Geprägt von den letzten zwei Coronajahren bin ich sehr feinfühlig für genau dieses Phänomen: Hier fehlt das Virus Angst in großem Maß und das bringt Leichtigkeit ins Feld und erhöht die Energieschwingung sofort. Wo Menschen lachen, zusammen singen und tanzen, sich umarmen, freudig sind, offen, liebevoll, zugewandt, emphatisch sind, da fühlt sich die Welt angenehm und gesund an. Da trifft einen nicht die Welle des Misstrauens und der Angst, wie ein Schlag ins Gesicht. Wie sagte mein betagter Vater: „Ich fühl mich gar nicht mehr wie ein Mensch mit den ganzen Verboten.“ Richtig. Wir bekamen das Menschsein, menschlich sein, aberkannt. Aber auch ohne diesen Aspekt, fühlt es sich hier einfach gut an. (Ich höre förmlich all die Bedenken von Ansteckung und so, aber gerade diese Angst ist es, die fesselt und lähmt. Und wer gefesselt ist, kann sich nicht bewegen und wer sich nicht bewegt, bleibt auf der Stelle.) Aber Angst ist durchaus auch ein Türöffner oder Eintrittstor in ein neues oder anderes Bewusstsein, so etwas wie die Enge eines Geburtskanals.

Ich habe Freude am Zelt aufbauen und wir richten uns ein. Abends ist gemeinsames tanzen für die, die Lust haben. Wir gehen hin. Latino, Salsa, ChaCha etc. Eine Frau tanzt vor, alle anderen folgen. Nicht mein Weg, denke ich, aber es ist eine harmonische, freie Stimmung und niemand stört sich daran, wenn ich mit Olivia auf dem Arm ganz anders zur Musik tanze. Wir tauchen ein und kommen an. Ja, endlich fühle ich mich wirklich angekommen auf der Insel und falle todmüde ins Bett.

2 comments

  1. Hallo ihr Lieben,
    es ist schön zu lesen, dass ihr euch “angekommen” fühlt. Möge diese Zeit weiterhin wohltuend und inspirierend für euch alle sein.
    Herzlichen Gruß aus dem sommerlichen Deutschland, das nach Heu, frischen Erdbeeren und Holunder riecht

    1. Danke für die “heimatlichen” Düfte, ich kann sie in der Vorstellung fast riechen. Heu und Erdbeerernte ist hier schon vorbei, die Zitronen und Kirschen sind noch aktuell, aber auch schon fast durch. Momentan werden die Wassermelonen wichtig, da sie viel Flüssigkeit spenden und bei 35°C super erfrischend sind.

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