Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Wildpferde in magischem Wald

Am nächsten Morgen gehen wir zum Frühstück ins Gasthaus. Die Wirtin ist langsam und schlurfend, ein wenig humpelnd unterwegs. Sie hat stark geschwollene Beine und sichtlich ist es sehr mühsam für sie uns zu bedienen. Aber aus ihren Augen sprüht eine lebendige Liebe zum Leben heraus, vermischt mit der Wachheit einer Katze und der hartnäckigen Kraft der hiesigen Natur, die sich gegen Wind und Sonne behaupten muss. Es gibt sehr süßes Zuckergebäck, erinnert uns an Weihnachtsplätzchen. Als weiteren Gang: Zwieback mit Schinken, Käse und den üblichen kleinen Alubehältern mit verschiedenen Marmeladen. Komisch für unsere Gewohnheit, aber der Cappuccino ist ausgezeichnet. 

Außer uns gibt es noch zwei ältere Herren im Raum. Sie vertiefen sich in ein Gespräch mit der alten Dame und ich höre heraus, dass es um Ungerechtigkeiten im italienischen System geht. Einer der beiden hat eine Canon-Kamera mit einem Geschoss von Objektiv. Als er Fotos von den alten Accessoires der Einrichtung macht kommen wir ins Gespräch über die Kamera. Es stellt sich heraus, dass er und sein Freund Naturfotografen sind und sie gerade im AltoPiano „Giara di Gesturi“ Bilder von den dort lebenden Wildpferden gemacht haben. Er schwärmt uns von dem Naturpark vor und die Wirtin klinkt sich mit ein und meint , dass jetzt dort oben alles blüht und wundervoll sei. Mario, so heißt der Kameramann, zeigt uns atemberaubende Bilder auf seinem Display und meint, es sei ein „big error“, wenn wir uns das nicht gönnen würden dorthin zu fahren. So steht wieder mal fest, was wir heute machen 🙂

Fließen mit dem Leben, im Flow sein, wie schön das machen zu können. Und je tiefer wir uns in dieses Abenteuer einlassen, umso unglaublicher und intensiver werden die Erlebnisse. Mario macht noch Familienfotos von uns, welcher er uns hinterher via Facebook zukommen lässt. Bei der Gelegenheit hier sein Kontakt. Schaut euch seine Bilder an, wirklich tolle Aufnahmen!

https://www.facebook.com/gianmario.cherchi.1

Wir satteln unseren Hänger und machen uns auf den Weg. Zwei Dörfer weiter soll es irgendwo den Berg hinauf gehen. Wir sehen ein Schild mit „4 km, dann links“, aber nach 4-5 km sind wir schon ein Dorf weiter und das kann laut Beschreibung nicht sein. Da es eine Tankstelle gibt und wir eh Diesel brauchen, fahren wir sie an. Eine Frau kommt zum Auto und fragt, ob sie voll tanken soll. Es ist wie früher bei uns auf’m Dorf bei Helga und Erwin, sowas gibt es eigentlich nicht mehr, dachte ich. Ich versuche heraus zu finden, wo wir die Abfahrt verpasst haben und juchhu, ich verstehe ihr italienisch und wir machen uns erneut auf den Weg, finden die Abzweigung und schrauben uns auf der kleinen holprigen Straße quietschend die Serpentinen nach oben. Quietschend deswegen, weil unser Hänger manchmal echt lustige Geräusche macht. Den einen Tag klingen sie wie Ächzen oder Stöhnen, anderntags wie fröhliches Jauchzen und dann wie eine wiegende Melodie, gerade so wie es meine fühlenden Ohren interpretieren. Je höher wir kommen, um so erhebender die Aussicht. Die Berge hier rundum sind wie gemalt oder extra geformt und dort hingesetzt. Mitten aus einer Ebene erhebt sich ein Kegelberg, wie im Märchen, wo oben ein Schloß drauf sitzt, mit spiralförmig geschwungenem Weg. Hier sitzt allerdings eine Nuraghe oben drauf. Andere Berge stehen mit felsigen Kanten wie ein Tisch in der Landschaft, rechteckig, oder mit rundem Plateau, als ob hier jemand mit Bausteinen gespielt hätte. Und so ist auch die „Giara di Gesturi“, oben angekommen, flach. Auf ungefähr 43 Quadratkilometer breitet sich ein Garten Eden aus, der echt seines Gleichen sucht. Ich habe etwas vergleichbares noch nicht gesehen. 

Kurz nach dem Eingang des Parks steht ein alter Camper mit einem Fuhrpark an zusammen geflickten alten Fahrrädern davor. Gegen Spende leihen wir uns ein paar passende Räder bei dem bärtigen Waldbewohner aus, der auf diese Weise wohl seine Kosten fürs Leben sichert. Wir eiern auf der abenteuerlichen Piste los und tauchen ein in einen magischen Korkeichenwald, dessen Boden teilweise hüfthoch mit blühenden Blumen gebettet ist. Dann erscheint eine Wasserfläche, welche ebenso mit Blüten bedeckt ist. Ein Biotop ganz eigener Art. Wenn jetzt noch Elfen oder Dinosaurier in irgendeinem Winkel zu sehen sind, dann nehme ich ihnen ab, dass sie echt sind. So gehen, bzw. fahren wir auf Entdeckungsreise durch diese Wildnis, die Augen und Ohren wach, um die berühmten Waldbewohner aufzuspüren: Eine kleine Wildpferdrasse, die es nur an diesem Ort gibt. Nach einer Stunde ungefähr ist es dann soweit. Ausgerechnet ich, als farbenblinder Hansel, entdecke die braunen Rücken und Köpfe aus dem Blütenmeer hervor stechen. Vom Weg aus schauen wir in diese Wunderwelt hinein und ich bekomme eine Vorstellung davon, wie es für unsere Vorfahren vor ein paar tausend Jahren hier war, auf diesem Planeten. Dieser ursprüngliche Anblick geht mir tief unter die Haut und ich bin zu Tränen gerührt, so verletzlich schön. 

Auch diesen Platz merke ich mir für einen Video, denn es ist echt traumhaft hier, vor allem jetzt im Frühling. Am Parkplatz nehmen wir noch eine Stärkung zu uns und dann ziehen wir weiter an die südwestliche grüne, wilde Küste: Capo Verde.

Da wir uns nicht so viel mit planerischen Informationen auseinandersetzen, wissen wir nicht was uns da erwartet und wir sind sehr gespannt!

2 comments

  1. Wow da wäre ich gerne dabei gewesen, das klingt nach einer tollen Entdeckungstour!

    Beim Lesen habe ich mich gefragt was eine Nuraghe ist, das kenne ich nicht.

    1. Nuraghen sind turmähnliche Gebäude aus der Zeit ca. 2000Jahre vor Chr.
      Ich hatte sie irgendwann vorher im Blog schonmal erwähnt und kurz beschrieben, deswegen bin ich hier nicht nochmal drauf eingegangen.

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