Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Wo schlafen wir bloß?

Gestärkt durch ein kräftiges Frühstück fahren wir weiter durchs bergige Inland, welches übersät ist mit alten Türmen (Nuraghen) und ganzen ausgegrabenen Dörfern aus „steiniger“ Zeit. Wir wollen gerne ein paar von ihnen besichtigen und mal reinfühlen, wie diese Plätze so auf uns wirken. Doch vorher wäre es wichtig einen Ort zum übernachten zu sichern, was aber nicht so einfach scheint. 

Als das Fahren für alle im Auto zu anstrengend wird, biege ich an einem See ab und wir entdecken einen alten sanierten Bahnhof mitten im Nirgendwo. Hier fährt wohl in den Sommermonaten eine nostalgische Eisenbahn, aber momentan ist alles verlassen und geschlossen. Tolle Kulisse für einen Film, allerdings sind wir hungrig und uns ist nicht nach filmen zumute. Also Gaskocher und Kochtopf raus und etwas auf den Teller zaubern. Zum Nachtisch Landkarte studieren und weiter geht’s.

Hier gibt es weit und breit keinen Campingplatz sondern nur ab und zu einen Stellplatz für Campervans, allerdings betoniert und nicht geeignet für unser Zelt. Während wir so ein Plätzchen inspizieren, kommt ein Gebimmel näher und ein Schäfer im alten Fiat Panda treibt mit Hilfe seines Hundes seine Herde vorbei. Dieser Glockenklang ist auf der ganzen Insel immer wieder zu vernehmen. Schafe, Ziegen, Kühe, alle haben unterschiedlich große Glocken und klingen somit anders. So schön die Aussicht hier auch ist, hier können wir nicht bleiben. Es geht schon auf den späten Nachmittag zu und wir werden etwas unruhig mangels Schlafplatz. Wohnmobilisten haben es da wesentlich einfacher als Menschen mit großem Rundzelt, zumal mit Kindern. Zur Not würden wir zwar auch wild etwas finden, aber es ist nicht wirklich entspannt. Wir visieren die Nuraghenstätte S. Vittoria auf einem hoch gelegenen Tafelberg an und fragen die Museumsbediensteten, ob wir auf oder vor dem Gelände zelten dürfen. Die Leute sind entgegen kommend und genehmigen es, aber mir ist nicht sonderlich wohl dabei. Wir besichtigen die Ausgrabungen und sind vor allem beeindruckt von der Lage. Wie auf einem Tablett trohnt dieses Dorf auf ca. 700m über dem Meer und hat Sicht nach allen Himmelsrichtungen, echt gigantisch. Vor allem jetzt in der Abendstimmung mit sinkendem Lichteinfall wirkt die Landschaft zauberhaft und es ist erhebend den Falken von oben auf die Flügel schauen zu können. Auch die hiesigen Krähen genießen es im starken Aufwind zu tanzen und zu spielen. Sie sind nicht komplett schwarz, sondern haben im Kontrast zum Restkörper graue Flügel. Das hat etwas von vornehmer Kleidung und lässt sie sehr wesenhaft wirken. 

Nach einem abendlichen Picknick auf dem Gelände entscheiden wir uns weiter zu fahren und sehen unterwegs ein Schild mit dem schon in einem vorhergehenden Blog erwähnten Agriturismo (Bauernhoftourismus). Wir biegen in die steile und enge Schottereinfahrt ein, unser Hänger setzt auf, dann Spitzkehre mit starken Regenauswaschungen, rechtes Vorderrad dreht durch, stotternd gehts dennoch vorwärts und wir schaffen es gerade eben so nach oben auf den Hof. Ein kleines Hündchen kommt uns entgegen, im Pferch grunzen einige gefleckte, recht große Schweine. Ein Mann in Arbeitsklamotten kommt herbei gelaufen, seine Augen leuchten gütig aber traurig. Ich frage nach der Möglichkeit bei ihm mit der Familie die Nacht zu verbringen, doch er meint er hätte geschlossen und druckste irgendwie herum, dass er ein Problem hätte, uns aber gerne helfen möchte etwas zu finden. Er telefoniert. Ich höre zum ersten Mal die sardische Sprache richtig authentisch und es klingt sehr farbenreich und sympathisch. Er spricht lange und es scheint nicht nur um uns zu gehen. Das Gespräch wird emotional und laut und er bricht es irgendwann ab. Es kommen ihm die Tränen und er entschuldigt sich. Es stellt sich heraus, dass seine Frau vor kurzem gestorben ist und er nun allein ist und uns nichts bieten kann. Er weint, Stephanie gibt ihm eine Umarmung und wir sind sehr berührt von diesem Moment und dieser Begegnung. Die Verabschiedung ist herzlich und wir ziehen weiter in die herein brechende Dunkelheit, nach wie vor ohne Schlafplatz. Wir irren noch ein wenig durch die Gegend und kehren an einem Gasthaus mit großem Parkplatz ein. Die alte Frau Wirtin meint, wir können ruhig unser Zelt aufschlagen. Auf die Frage, was es kostet, meint sie nur, wir sollen bei ihr mal zum Essen kommen. In Windeseile steht das Zelt und die Schlaflager sind bereitet. Dann, im Zelt, ist es wieder so, als ob man nach Hause gekommen ist. Unsere Solarlampions leuchten, die Schaffelle machen es kuschlig und wir lesen noch weitere Kapitel im Roman „Rabenorakel“ von Fortunato. Nicht nur Alfred liebt diese Geschichte, echt spannende Jugendliteratur. Dann Licht aus, kuscheln und friedlich schlafen nach diesem langen, anstrengenden Tag.

2 comments

  1. Tommy, es ist immer wieder ein großer Genuss, deine Reisebeschreibungen zu lesen. Liebe Grüße, Daniela

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