Tommy Wild

Musician, Singer, Songwriter

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Premiere

Tag 15

Am Morgen ist von Sturm nichts mehr zu spüren. Der Himmel, nein die ganze Atmosphäre, scheint wie gereinigt. Jeder Dreck in der Luft ist wie weg gepustet und Korsika wirkt so nah, als könnte ich mal kurz rüber hüpfen. Die oberen Bergspitzen sind immer noch schneebedeckt.

Wir sind allein und bewerkstelligen unseren Umzug ins Zelt, welches zwei Terassenetagen tiefer, als das Haupthaus liegt. Am Rande eines Baumrondells aus Feigen- , Äpfel-, Pfirsich- und Orangenbäumen steht es und wirkt irgendwie hoheitlich. Ein schönes Zelt, ganz im alten Stil, nicht so, wie die ganzen modernen Kunststoffzelte. Es erinnert an frühe Expeditionen um fremdartige Schmetterlinge zu erforschen, in denen Wissenschaftler dann abends bei Petroliumlampen am Tisch sitzen und ihre gefundenen Exemplare inspizieren. Na ja, ich hab manchmal so innere Bilder die aufpoppen wie Seifenblasen…und dann sind sie wieder weg. Nur schade, dass wir kein Holzöfchen drinnen haben. Ich dachte, dass wäre hier nicht nötig. Aber bei den Temperaturen würde es durchaus Sinn machen. Der Auslass für ein Kaminrohr ist ins Dach eingenäht.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf eine kleine Entdeckungstour zu Fuß. Olivia hat nicht lange Lust zu laufen und wird Huckepack getragen. Nicht weit vom Haus hört die kleine Straße auf und geht in einen Geröllweg über, welcher bei einer großen Bauruine endet. Hier wollte mal jemand ein Urlaubsparadies erschaffen mit lauter Appartements und zwei etwas größeren Haupthäusern. Aber über den Rohbau sind sie nicht hinaus gekommen, dann ging wohl das Geld aus, oder was auch immer. Jedenfalls stehen hier jetzt lauter von gelb blühendem Ginster umwucherte Häuschen herum in denen sich Hausbesetzer eine coole Sommerlocation zaubern könnten. Mit Superausblick. Wasser müsste man sich vom kleinen Gebirgsbach holen und Strom von der Sonne. Also, wenn nix klappt, dann wissen wir wo wir wohnen können…

Wir erkunden etwas die Gegend. Olivia bleibt einfach da, wo sie sich hinsetzt und spielt mit dem, was um sie ist. Stöckchen, Steinchen, Blümchen und sie backt Kuchen, singt vor sich hin und ist völlig in sich zufrieden und erfüllt. Alfred findet „Kristalle“, da die Steine hier alle Quarzanteile haben und in der Sonne glitzern. Stephanie taucht wieder ins Blüten fotografieren ab und ich mache mich auf den Weg hinauf. Ich würde gerne auf die Felsen, die so schön empor ragen. Doch welche Pfade ich auch einschlage, da wo ich hin will, komme ich nicht hin. Hier ist alles voller Dickicht. Die Einzigen, die hier durch können, sind die kleinen Wildschweine und Schildkröten und natürlich Ameisen! Erstere hinterlassen jede Menge Spuren und man kann ihre Wege, kleine tunnelartige Niedrigpfade, gut entdecken. Ich fand sogar eine Suhle. Drei kleine Becken, gefüllt mit schlammigen Regenwasser, ganz klar die Matsch-Therme der hiesigen Rüsselbevölkerung. Letztere sind auf Sardinien einfach überall und es ist faszinierend, sie bei der emsigen Arbeit zu beobachten. Und einer Schildkröte wäre ich beinahe auf den Panzer geschlappt, so gut getarnt futtert sie am Wegesrand genüsslich vor sich hin. Wir beobachten uns lange und ich bin stark beeindruckt von ihrer Vorsicht und ihrer Fähigkeit sich zu schützen. Es vergehen bestimmt 10 Minuten in denen wir uns regungslos beäugen. Ich kann ihren langsamen Puls sehen und ihre Augen scheinen mit mir zu kommunizieren. Meine zweite Begegnung mit Schildkröten in dieser kurzen Zeit. Was will mir das wohl sagen? Im letzten Jahr begegnete ich keiner einzigen, ich wusste nicht einmal, dass es welche hier gibt.

Wieder zurück, begrüßen wir unseren Gastpapa, der, zurück aus Südengland, gleich den Garten bewässert. Ich biete meine Hilfe im Garten und Geländepflege an, doch er meint, dass sei für die paar Tage nicht nötig. Wenn ich vier, fünf Monate bleiben würde , dann würde es Sinn machen. Ich schmunzele, lasse mich nicht beirren und beginne das Unkraut aus den Mauerritzen zu entfernen. Ich glaube , er freut sich darüber. Stephanie putzt unser neues Badezimmer, welches wir vom Zelt aus gut erreichen können. Beim Abendessen stellen wir fest, dass sie das Putzen nicht so mochte. Beim nächsten mal tauschen wir, ich mache gerne Unkraut weg und mag es, wenn die Kacheln hinterher blinken…

Premiere. Erste Nacht im Zelt. Es ist knackig, aber wir sind gut ausgestattet. Ein paar Wärmflaschen erleichtern den Start. Die Kinder schlafen gut ein. Vorlesen mit Taschenlampe. Und ich sitze nun im Wintergarten, oder besser einer Outdoorküche mit durchsichtiger Zeltplane rundum und schreibe meinen Blog in Daunenjacke. Genau das liebe ich, ganz nah dran am natürlichen Leben: Der Halbmond verstrahlt sein silbriges Licht und die stillen Geräusche der Nacht verströmen eine vertrauensvolle Verbundenheit mit Mutter Erde.

2 comments

  1. Hallo ihr Lieben,
    wahrlich ein spannendes Abenteuer… teils mutet es romantisch an… teils frische Wirklichkeit… Ich drücke die Daumen, dass frühlingshafte Temperaturen bald die Daunenjacke und Wärmflasche vergessen lassen.
    Die beschriebene herrliche Natur und der blaue Himmel, sowie die Freiheit , so wie ihr es euch ausgemalt habt… viel Glück… und Grüße aus der Heimat…

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